Chef oder Kollegen beleidigt: Kündigung zulässig?

10.09.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Beleidigung,Drohung,Chef,Kollegen,Kündigung Beleidigungen im Betrieb oder online können zu einer fristlosen Kündigung führen. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Kündigungsgrund: Beleidigungen können eine (fristlose) Kündigung rechtfertigen. Einmalige, besonders schwere Äußerungen gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen können dafür ausreichend sein.

2. Verhältnismäßigkeit: Ob zunächst eine Abmahnung ausreicht oder direkt eine Kündigung zulässig ist, hängt davon ab, wie grob die Beleidigung war und ob es bereits ähnliche Vorfälle gab.

3. Einzelfall entscheidend: Gerichte prüfen stets den Einzelfall. Es wird zwischen der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte sowie dem Betriebsfrieden abgewogen.
Konflikte zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sind im Arbeitsleben durchaus alltäglich. Ein Arbeitgeber muss sich jedoch keine Beleidigungen gefallen lassen. Hier spielen auch die sozialen Netzwerke eine immer wichtigere Rolle. Chef und Kollegen lesen nämlich mit, was hier gepostet wird. Aber: Ab wann handelt es sich eigentlich um eine Beleidigung, und was gilt noch als erlaubte Kritik?

Was versteht man unter einer Beleidigung?


Zwar gilt das Recht auf Meinungsfreiheit auch am Arbeitsplatz. Es gilt jedoch nicht schrankenlos. Die eigene Freiheit endet, wo die Rechte anderer verletzt werden. Gesetzlich geregelt ist die Beleidigung in den §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches (StGB). Das Gesetz definiert eine Beleidigung als eine nach außen gerichtete Kundgabe der Nichtachtung oder Nichtbeachtung der Ehre eines anderen.

Beispiele:
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat Äußerungen wie "Psychopath", "Arschloch" und "irre" als erhebliche Ehrverletzungen angesehen (Az. 5 Sa 55/14). Ebenso wurde das Schimpfwort "Wichser" beurteilt (Az. 2 Sa 232/11). Das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. betrachtete den Ausdruck "fauler Sack" gegenüber dem Chef als klare Beleidigung (Az. 7 Ca 9327/07).

Es kommt jedoch auch auf die Umstände des Einzelfalles an. So sah das Landesarbeitsgericht Köln im konkreten Fall keine Beleidigung in dem Ausdruck "altes Arschloch". So hatte ein Sozialarbeiter seinen Vorgesetzten genannt, den er duzte und mit dem er enger verbunden war. Hier sei dieser Ausdruck nur ein Anzeichen dafür, dass sich die beiden auseinandergelebt hätten, so das Gericht (Az. 10 Sa 337/96).

Das Amtsgericht Frankfurt a. M. beschäftigte sich mit dem Spruch eines Gasinstallateurs gegenüber einer Kollegin "so Frauen wie dich hatte ich schon hunderte". Diese Aussage wurde als Beleidigung eingestuft (Az. 15 Ca 647/03).

Das Landearbeitsgericht Hamm sah in dem Ausdruck "Bastard", den eine Verkäuferin gegenüber ihrem Arbeitskollegen verwendet hatte, eine Beleidigung. Eine ordentiche verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung sei hier gerechtfertigt (Urteil vom 20.1.2022, Az. 18 Sa 645/21).

Was versteht man unter einer verhaltensbedingten Kündigung?


Gilt für einen Betrieb das Kündigungsschutzgesetz (mehr als zehn Mitarbeiter), benötigt der Chef für eine Kündigung einen gesetzlich zulässigen Grund. Dies kann ein personenbedingter Grund sein (etwa Krankheit), ein betriebsbedingter Grund (etwa Umstrukturierung) oder ein verhaltensbedingter Grund. Viele Verhaltensweisen muss sich ein Arbeitgeber nicht von seinen Arbeitnehmern gefallen lassen.

Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?


Grundsätzlich ist eine fristlose Kündigung zum Beispiel aufgrund einer groben Beleidigung möglich. Dies gilt insbesondere, wenn dem Betrieb die Weiterbeschäftigung der betreffenden Person nicht mehr zugemutet werden kann und Wiederholungsgefahr besteht. Im Einzelfall berücksichtigen jedoch die Gerichte immer die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das bisherige Verhalten des Mitarbeiters.

Einbezogen werden auch die Umgangsformen im Betrieb, der Bildungsgrad und die psychische Situation des Arbeitnehmers sowie mögliche Provokationen durch den Arbeitgeber oder den beleidigten Kollegen.

Eine fristlose Kündigung ist generell das letzte Mittel und muss damit eine Ausnahme sein. Ihr muss im Normalfall eine erfolglose Abmahnung vorangehen. In bestimmten, schweren Fällen sehen die Gerichte diese jedoch als überflüssig an.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine verhaltensbedingte Kündigung möglich?


Dafür müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

- Es muss sich um einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten handeln.
- Dieser muss rechtswidrig (und nicht durch irgendetwas gerechtfertigt) sein.
- Der Verstoß muss schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, begangen worden sein.
- Die Kündigung muss verhältnismäßig sein. Es darf also kein milderes Mittel (mehr) geben, um das Problem zu lösen – wie etwa eine Abmahnung.
- Es muss eine Interessenabwägung zwischen den Interessen beider Seiten durchgeführt werden. Das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung muss stärker sein.

Welche Folgen hat eine Beleidigung von Kollegen auf Facebook?


Das Arbeitsgericht Duisburg hat einen Fall verhandelt, bei dem ein Arbeitnehmer seine Kollegen in einem Facebook-Post unter anderem als "Speckrollen" und "Klugscheißer" bezeichnet hatte. Hier wies das Arbeitsgericht darauf hin, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Kollegen eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen können. Allerdings sah es die Kündigung im konkreten Fall trotzdem als unwirksam an.

Dabei berücksichtigte das Gericht, dass der Arbeitnehmer durch die falsche Anschuldigung, er würde krankfeiern, provoziert worden war. Aus seinem Post sei nicht erkennbar gewesen, welche Personen er konkret gemeint habe. Eine fristlose Kündigung scheiterte zusätzlich daran, dass der Arbeitgeber die 14-Tages-Frist des § 626 Abs. 2 BGB verpasst hatte. Eine fristlose Kündigung ist nämlich nur innerhalb von zwei Wochen erlaubt, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem der Chef von den Umständen erfahren hat, die dann zur Kündigung führen (Az. 5 Ca 949/12).

Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte in einem anderen Fall die fristlose Kündigung eines Auszubildenden. Dieser hatte seinen Chef auf seiner Facebook-Seite als "Menschenschinder" und "Ausbeuter" bezeichnet (Az. 3 Sa 644/12). Schmähkritik in der Öffentlichkeit stellt eine Verleumdung dar.

Sind Beleidigungen in einer privaten Chatgruppe vertraulich?


Arbeitnehmer sollten sich nicht darauf verlassen, dass beleidende Äußerungen gegenüber Chef und Kollegen in einer privaten Chatgruppe ohne Konsequenzen bleiben. Dies zeigt sich an einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts. In diesem Fall hatte sich ein Arbeitnehmer in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe stark beleidigend, rassistisch, sexistisch und in einer zu Gewalt aufstachelnden Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen geäußert. Die Äußerungen wurden bekannt und führten zu seiner fristlosen Kündigung. Das Bundesarbeitsgericht wollte dem Arbeitnehmer nicht zugute halten, dass die Äußerungen in vertraulichem, privaten Rahmen getätigt worden seien: Dagegen würden die Größe der Chatgruppe sowie die Verwendung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen ausgerichteten Mediums sprechen (Urteil vom 24.8.2023, Az. 2 AZR 17/23).

Können Emojis eine Beleidigung von Kollegen sein?


Auch die Verwendung von Emoticon-Symbolen bzw. Emojis kann eine schwerwiegende Beleidigung darstellen und zu einer fristlosen Kündigung führen. Dies zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg. Ein Arbeitnehmer hatte in seiner Facebook-Chronik über seine Erkrankung und eine lange Krankschreibung geschrieben. Ein Arbeitskollege kommentierte dies mit der Äußerung "Das Fette Schwein dreht durch!!!". Für das Wort "Schwein" nutzte er jedoch ein Emoticon-Symbol. Namen nannte er nicht. Für Arbeitskollegen und Gericht war jedoch klar, dass damit ein bestimmter Vorgesetzter gemeint gewesen war. Hier hielt das Gericht allerdings eine Abmahnung vor der Kündigung für erforderlich. Dabei spielte eine 16-jährige Betriebszugehörigkeit ohne Beanstandungen eine Rolle. Auch hatte der Mitarbeiter mit dem beleidigten Vorgesetzten nicht direkt zu tun (Az. 4 Sa 5/16).

Warum kommt es auf die Art und Weise der Beleidigung an?


Ob eine Beleidigung tatsächlich zu einer Kündigung führt, hängt unter anderem vom Berufsumfeld ab. Beispiel: Der Ausspruch "Du kannst mich mal am Arsch lecken" kann in einem Büro leicht zu einer Eskalation führen. Auf einer Baustelle sieht man dies vielleicht anders, weil dort ein anderer Umgangston herrscht – zumindest, wenn es sich bei dem Angesprochenen nicht gerade um den Bauunternehmer oder den Bauherrn handelt.

Wichtig ist auch, ob die Beleidigung schriftlich oder mündlich geäußert wird. Bei einer schriftlichen Beleidigung wird eher davon ausgegangen, dass sie wohlüberlegt erfolgt ist. Bei einer mündlichen Beleidigung schauen die Gerichte genauer hin, denn diese kann ja im Affekt erfolgt sein. Nicht jede böse, in der Verärgerung gemachte Äußerung ist aus Sicht der Gerichte gleich eine Beleidigung. Auch der Bildungsgrad und die psychische Situation des Arbeitnehmers werden berücksichtigt. Auch eine Provokation kann eine Rolle spielen. Und berücksichtigt wird auch ein langes, unproblematisches Arbeitsverhältnis.

Darauf sollte man sich jedoch auch nicht zu sehr verlassen. Dies zeigt ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2017 (Az. 3 Sa 244/16). Ein Arbeitnehmer mit sehr langjährigem Arbeitsverhältnis hatte seinen Chef als "soziales Arschloch" bezeichnet. Hier war dem Gericht zufolge eine fristlose Kündigung wegen Beleidigung gerechtfertigt.

Kann auch wegen einer Drohung gekündigt werden?


Auch wegen einer Drohung kann der Arbeitgeber zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt sein. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Drohung eines Arbeitnehmers mit einer Strafanzeige wegen Bestechung, Betrug und Beihilfe zur Steuerhinterziehung, um eine Lohnerhöhung durchzusetzen, erheblich gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verstößt (Az. 3 Sa 196/11).

Auch die Drohung, sich krankschreiben zu lassen, kann schnell den Weg zum Jobcenter ebnen. Wer seinem Arbeitgeber damit droht, sich krankschreiben zu lassen, falls sein Urlaub nicht genehmigt wird, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Dies gilt jedoch nur, wenn er zu diesem Zeitpunkt gesund ist, wie das LAG Berlin Brandenburg entschieden hat. Ist er krank, ist allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt (Urteil vom 15.3.2013, Az. 10 Sa 2427/12).

Auch das Arbeitsgericht Mönchengladbach bestätigte eine Kündigung wegen einer Drohung (Az. 6 Ca 1749/12). In diesem Fall hatte der Arbeitnehmer seinem Vorgesetzten gesagt: "Ich hau dir vor die Fresse, ich nehme es in Kauf, nach einer Schlägerei gekündigt zu werden, Du kriegst von mir eine Schönheitsoperation, wenn ich dann die Kündigung kriege, ist mir das egal." Dass der Arbeitnehmer vorher provoziert worden war, nützte ihm vor Gericht angesichts der erheblichen Drohungen nichts mehr.

Wie sieht es mit Lästern gegenüber dem Chef und Kollegen aus?


Lästern ist grundsätzlich erlaubt. Immerhin fallen "vertrauliche Äußerungen unter den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts", wie das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2009 entschieden hat (Az. 2 AZR 534/08). Arbeitnehmer sollten sich damit jedoch trotzdem zurückhalten. Die Grenze zur Beleidigung oder Schmähkritik ist nämlich schnell überschritten und dann werden Persönlichkeitsrechte verletzt. Vielleicht bekommen auch die falschen Leute die Äußerungen mit. Übrigens besteht sogar nach der Arbeit eine gewisse Treuepflicht dem Arbeitgeber gegenüber. Arbeitnehmer haben auch nach Feierabend nicht nur eine Verschwiegenheitspflicht bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sondern sie müssen auch ruf- oder kreditschädigende Äußerungen unterlassen.

Aber sachliche Kritik ist doch wohl erlaubt?


Sachliche Kritik ist erlaubt, Schmähkritik nicht. Das Problem: Jedes Gericht entscheidet für den Einzelfall, wann die Schmähkritik anfängt. Keine Kündigung muss zum Beispiel befürchten, wer ein Video von einem Gewerkschaftstreffen bei Youtube postet, in dem er sachliche Kritik am Betrieb übt, um zu begründen, dass dieser einen Betriebsrat braucht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.7.2014, Az. 2 AZR 505/13).

Was gilt für fremdenfeindliche Äußerungen im Kollegenkreis?


Wird ein Kollege fremdenfeindlich diffamiert oder beleidigt, ist dies ein Grund für eine fristlose Kündigung. Dies entschied das Arbeitsgericht Berlin. Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer einen Kollegen lange Zeit als ”Polenschwein” und ”Polendrecksau” betitelt (Az. 96 Ca 23147/05). Dieser Fall hatte zwar nichts mit den sozialen Netzwerken zu tun, dürfte aber übertragbar sein. Dem Gericht zufolge war hier eine vorherige Abmahnung überflüssig: Der Arbeitnehmer habe von vornherein nicht damit rechnen können, dass sein Arbeitgeber dieses Verhalten tolerieren werde.

Faustregel: Werden fremdenfeindliche oder volksverhetzende Ansichten so geäußert, dass der Leser eine Verbindung zum Betrieb herstellen kann, wird das Arbeitsgericht eine Kündigung sehr wahrscheinlich bestätigen. Immerhin steht hier der gute Ruf des Arbeitgebers auf dem Spiel – und womöglich dessen Beziehungen zu ausländischen Kunden.

Praxistipp zur Kündigung wegen Beleidigung


Mit unbedachten Äußerungen gegenüber Chef und Kollegen sollten sich Arbeitnehmer zurückhalten. Auch im Internet sollten sie nicht offen ihre Wut über betriebliche Vorgänge ausleben. Allzu häufig lesen Chef und Kollegen mit. Falls Ihnen wegen solcher Vorfälle verhaltensbedingt gekündigt wurde, kann Sie ein Fachanwalt für Arbeitsrecht zu den nächsten Schritten beraten. Beachten Sie, dass eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung eingereicht werden muss.

(Wk)


 Günter Warkowski
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