Mieter pleite! Droht der Verlust der Wohnung?

01.02.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (2520 mal gelesen)
Brieftasche,leer Bei einer Privatinsolvenz im Mietverhältnis gelten verschiedene Besonderheiten. © - freepik

Auch Privatpersonen können zahlungsunfähig werden. In diesem Fall bietet es sich an, Verbraucherinsolvenz anzumelden. Was sind die Folgen für das Mietverhältnis? Droht Mietern dann die Kündigung?

Wer als Privatperson zahlungsunfähig wird, kann seit 1999 Insolvenz anmelden. Dieses Verfahren nennt man Privatinsolvenz- oder Verbraucherinsolvenzverfahren. Dabei wird für den Insolvenzschuldner ein Insolvenzverwalter – hier heißt er „Treuhänder“ - bestellt. Seine Aufgabe ist es, die Insolvenzmasse – also das gesamte Vermögen des Betreffenden – zu sichten, noch vorhandene Werte zusammenzuhalten und schließlich gerechte Anteile an die Gläubiger auszuzahlen. Jeder Gläubiger bekommt also schließlich eine Quote an der Insolvenzmasse. Für den Schuldner wichtig: Im Rahmen einer Verbraucherinsolvenz kann man beim Insolvenzgericht das Restschuldbefreiungsverfahren beantragen. Dem Schuldner werden dann nach einer Zeit des „Wohlverhaltens“, während der er den pfändbaren Teil seiner Einkünfte an den Treuhänder abliefern muss, seine restlichen Schulden erlassen. So ist ein schuldenfreier Neustart möglich.

Darf der Vermieter kündigen?


Nur, weil beim Mieter ein Insolvenzverfahren läuft, darf der Vermieter diesem heute nicht einfach kündigen. Er kann höchstens dann ein Recht zur Kündigung haben, wenn der Mieter nach dem Stellen des Insolvenzantrages keine Miete mehr bezahlt. Generell reicht es für eine fristlose Kündigung aus, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Miete oder einem erheblichen Teil davon in Rückstand ist oder wenn er über einen längeren Zeitraum hinweg einen Mietrückstand aufbaut, der zwei Monatsmieten entspricht. Der Mieter kann allerdings durch eine Nachzahlung des ausstehenden Betrages die Kündigung verhindern.
Hat der Vermieter einen anderen gesetzlich erlaubten Grund zu kündigen, zum Beispiel Eigenbedarf, kann er dem Mieter ebenfalls kündigen.

Welche Besonderheiten gibt es in der Insolvenz?


Hat der Mieter erst einmal den Insolvenzantrag gestellt, darf der Vermieter jedoch aus folgenden Gründen nicht kündigen:

- wegen Verzuges mit der Mietzahlung in der Zeit vor der Antragstellung,
- wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters.

An wen muss der Vermieter die Kündigung richten?


Wenn der Vermieter zur Kündigung berechtigt ist, muss er das entsprechende Schreiben sowohl an den Mieter als auch an dessen Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder richten.

Darf der Vermieter die Miete einklagen?


Zu unterscheiden ist zwischen dem Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung und dem Zeitraum danach. Ausstehende Miete aus dem Zeitraum vorher muss der Vermieter als Insolvenzforderung geltend machen. Er muss den Betrag also beim Treuhänder anmelden und bekommt dann am Ende seine Quote wie alle anderen Insolvenzgläubiger.
Anders verhält es sich mit der Miete aus der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie ist eine sogenannte Masseforderung. Bedeutet: Sie geht zulasten der Insolvenzmasse und muss vom Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder laufend weiter bezahlt werden (§ 108 Insolvenzordnung). Wenn nicht genug Geld vorhanden ist, kann der Vermieter versuchen, den Treuhänder auf Schadensersatz zu verklagen. Das wird ihm aber nur dann etwas bringen, wenn er ihm irgendwelche Pflichtverletzungen nachweisen kann.

Zahlungsausfall bei der Miete?


Allerdings muss es nicht notwendigerweise zu einem Mietausfall kommen. Immerhin gibt es ja die Pfändungsfreigrenzen, die es Schuldnern ermöglichen sollen, ihre Kosten für den notwendigsten Lebensunterhalt trotz einer Überschuldung zu begleichen. Wenn zum Beispiel die Gläubiger den Arbeitslohn direkt beim Arbeitgeber wegpfänden, muss dem verschuldeten Arbeitnehmer immer noch der Pfändungsfreibetrag bleiben. Zahlt der Mieter davon die Miete, scheidet eine Kündigung wegen Mietschulden aus.

Darf der Treuhänder kündigen?


Der Treuhänder darf zwar Mietverträge des Schuldners kündigen, aber nur solche, die nicht dessen Wohnung betreffen. Allerdings hat der Treuhänder die Möglichkeit, hinsichtlich der Forderungen aus dem Mietvertrag eine sogenannte „Entlastungserklärung“ abzugeben. Damit erklärt er, dass nur die ersten drei Monatsmieten unter die Regeln der Insolvenz fallen (§ 109 InsO). Oder, anders herum: Dass Mietforderungen, die nach Ablauf der Dreimonatsfrist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Für alles, was danach kommt, gelten dann also die normalen rechtlichen Vorschriften. Der Insolvenzverwalter muss die Miete nicht mehr weiter aus der Insolvenzmasse bezahlen. Der Vermieter kann direkt den Mieter auf Zahlung verklagen oder ihm bei einem entsprechenden Mietrückstand nach den ganz normalen Regeln fristlos kündigen.

Folgen der Entlastungserklärung


Hat der Treuhänder die Entlastungserklärung abgegeben, kann der Vermieter sogar wegen Mietrückständen kündigen, die bereits vor Beginn des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind. Dies entschied der Bundesgerichtshof am 17. Juni 2015, Az. VIII ZR 19/14.

Insolvenz vor Einzug


Wenn der Mieter ein Privatinsolvenzverfahren beantragt hat, bevor er überhaupt in seine neue Mietwohnung eingezogen ist, können der Insolvenzverwalter (für den Mieter) und der Vermieter jeweils vom Vertrag zurücktreten. Auch können beide den jeweils anderen mit einer zweiwöchigen Frist auffordern, zu erklären, ob dieser einen solchen Rücktritt vom Mietvertrag plant. Wenn sie die Frist versäumen, müssen sie jedoch am Mietvertrag festhalten.

Was passiert, wenn es mehrere Mieter gibt?


Manchmal leben neben dem Mieter, der sich im Verbraucherinsolvenzverfahren befindet, noch weitere Mieter in der Wohnung. Mieter sind sie rechtlich nur dann, wenn sie im Mietvertrag als solche genannt werden und diesen mit unterschrieben haben.

Der Insolvenzverwalter hat nicht das Recht, im Namen des zahlungsunfähigen Mieters dessen Mietvertrag zu kündigen. Es kann allerdings zu einer Kündigung durch den Vermieter kommen, wenn der Insolvenzverwalter die Entlastungserklärung abgegeben hat und die Miete nicht mehr bezahlt wird. Mitmieter sollten also dafür Sorge tragen, dass keine Mietrückstände entstehen.

Praxistipp


Oft gibt der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die sogenannte Entlastungserklärung gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 InsO ab. Hier besteht dann die Gefahr einer Kündigung wegen Mietrückständen. Aber: Pfändungsfreigrenzen und Instrumente wie das Pfändungsschutzkonto sollen verhindern, dass Mieter durch Verschuldung auch noch obdachlos werden.

Die Entlastungserklärung hat auch die Folge, dass die Mietkaution nach Ablauf der Dreimonatsfrist ab Zugang der Erklärung beim Vermieter nicht mehr in die Insolvenzmasse fällt. Wird das Mietverhältnis ordnungsgemäß und zum Beispiel ohne Schäden an der Wohnung beendet, muss also der Vermieter ab diesem Zeitpunkt die Kaution an den Mieter auszahlen - und nicht an den Insolvenzverwalter.

Menschen mit finanziellen Problemen haben die Möglichkeit, für rechtlichen Rat die staatliche Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. In einigen Bundesländern gibt es dafür auch eigene Rechtsauskunftsstellen. Wer einen Anwalt aufsucht, sollte sich an einen Fachanwalt für Insolvenzrecht wenden.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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Juristische Redaktion
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