Arzthaftung: Wenn Ärzte Behandlungsfehler machen

22.10.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Behandlungsfehler,Arzthaftung,Krankenhausbett,Schmerzensgeld Fehler bei medizinischen Behandlungen können eine Haftung des Arztes begründen © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Kein Erfolg geschuldet: Aus dem Behandlungsvertrag ergebt sich zwar keine Pflicht des Arztes einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Er hat aber Sorgfaltspflichten zur Folge, deren Verletzung zu einer Schadensersatzpflicht führen können.

2. Arzthaftung: Ursachen für eine Haftung des Arztes sind insbesondere Behandlungsfehler und Fehler bei der Aufklärung des Patienten.

3. Schmerzensgeld: Hat ein Patient im Zuge der Behandlung unnötige Schmerzen, unnötige Leiden psychischer Art, oder auch dauerhafte Schäden erlitten, kann er einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den behandelnden Arzt haben.
Patienten fühlen sich häufig Ärzten und Krankenhäusern ausgeliefert. Immerhin können sie selbst nicht beurteilen, ob etwas schiefgelaufen ist oder ob eine Komplikation zum Beispiel durch ihren körperlichen Zustand oder eine Vorerkrankung verursacht wurde. Inzwischen gehen Patienten aber immer öfter gerichtlich gegen ihre Ärzte vor und fordern wegen Behandlungsfehlern Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Wann haftet ein Arzt für Behandlungsfehler?


Zwischen Arzt und Patient kommt ein Behandlungsvertrag zustande. Dadurch hat der Arzt viele Sorgfaltspflichten, deren Verletzung zu einer Haftung führen kann.
Wichtig: Ein Arzt ist nicht vertraglich dazu verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen – wie die Heilung. Er hat stattdessen die Pflicht, sich fachgerecht unter Berücksichtigung des aktuellen medizinischen Wissens um die Genesung des Patienten oder zumindest um die Besserung von dessen Zustand zu bemühen.

Zu einer Arzthaftung kann es wegen Behandlungsfehlern kommen. Weitere mögliche Haftungsfälle sind:

- Fehler bei der Aufklärung des Patienten,
- Fehler bei der Dokumentation der Behandlung,
- Fehler bei der Organisation von Arbeitsabläufen in der Praxis (z. B. Hygienemängel, Personalplanung).

Zusätzlich kann sich eine Haftung des Arztes aus dem Deliktsrecht ergeben, also aufgrund einer verbotenen Handlung. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Arzt eine Behandlung vornimmt, mit welcher der Patient nicht einverstanden war.

Wann haftet ein Krankenhaus für einen Behandlungsfehler?


Die Haftung des Krankenhauses hängt vom jeweiligen Behandlungsvertrag ab. Haben Patient oder Patientin mit dem Krankenhaus einen "einheitlichen Behandlungsvertrag" abgeschlossen, der sämtliche Leistungen einschließt, haftet das Krankenhaus für alle Verstöße gegen vertragliche Pflichten.

Wurde zusätzlich ein Vertrag mit einem externen Belegarzt abgeschlossen oder eine Chefarztbehandlung vereinbart, müssen diese Ärzte selbst für ihre Fehler einstehen. Bei einem Wechsel des Krankenhauses – zum Beispiel wegen Verlegung in eine Fachklinik oder nach einer Operation vom Krankenhaus in die Reha-Klinik – kommt ein neuer Behandlungsvertrag zustande. Für einen Behandlungsfehler im neuen Krankenhaus haftet grundsätzlich das neue Krankenhaus und nicht das erste. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen das erste Krankenhaus haftet, weil die späteren Fehler auf einem ersten Fehler beruhen.

Wann erhält man nach einem Arztfehler Schmerzensgeld?


Schmerzensgeldist kein Schadensersatz für materielle Schäden. Stattdessen soll es die immateriellen Schäden ausgleichen. Es wird also für Dinge bezahlt, die man schwer in Geld aufwiegen kann, wie Schmerzen, Leiden körperlicher und psychischer Art, Beeinträchtigungen des normalen Lebens und Tagesablaufs, aber auch für zusätzlich nötige Operationen, dauerhafte Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit und Ähnliches.

Die Höhe des Schmerzensgeldes ist nicht gesetzlich festgelegt. Die Gerichte entscheiden individuell und nutzen als Hilfsmittel Tabellen, die aus den Gerichtsurteilen früherer Fälle zusammengestellt worden sind.
Hohe Schmerzensgelder sind in Deutschland weniger üblich als etwa in den USA. Je größer ein Behandlungsfehler allerdings ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht ein Schmerzensgeld zuspricht.

Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?


Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich mit dem Fall eines Patienten, der beim Fußballspielen eine Schultereckgelenksprengung erlitten hatte. Er war noch am gleichen Tag im Krankenhaus operiert worden; dabei wurde sein Schlüsselbein verschraubt. Wenige Wochen später musste die Schraube wieder entfernt werden, weil sie ausgerissen war. Der Patient meinte nun, dass die Schraube nicht richtig platziert worden sei. Er forderte vom Krankenhaus Schadensersatz und ein Schmerzensgeld von 8.000 Euro.

Das Gericht entschied: Hier liege ein grober Befunderhebungsfehler vor. Die bei der ersten Operation eingesetzte Schraube sei falsch positioniert worden und habe zu nahe am Gelenk gesessen. Zwar könne so etwas auch einem erfahrenen Chirurgen passieren. Nur: Dieser Fehler hätte während der OP durch Röntgenaufnahmen aus verschiedenen Projektionsrichtungen erkannt und dann korrigiert werden müssen. Stattdessen habe der Operateur auf die größere Überprüfung mit Röntgenaufnahmen verzichtet und sich mit zwei Aufnahmen aus dicht beieinander liegenden Winkeln begnügt. Es sei nicht auszuschließen, dass die zweite Operation vermeidbar gewesen wäre. Die Klage war erfolgreich (OLG Hamm, Az. 26 U 152/13).

Ist ein Arzt verpflichtet, Patienten zur Kontrolluntersuchung einzubestellen?


Ist ein Arzt bei einem aus seiner Sicht kontrollbedürftigen Befund verpflichtet, den Patienten zur Kontrolluntersuchung in seine Praxis zu bestellen? Vor dem OLG Köln ging es um eine Frau, bei der bei einer Brustkrebsvorsorgeuntersuchung Auffälligkeiten wie eine Verhärtung und bei einer weiteren Untersuchung eine Hautrötung aufgetreten waren. Der Arzt hatte zunächst eine Kontrolle nach drei Monaten empfohlen und bei der zweiten Untersuchung eine Kontrolle bei jeder weiteren Veränderung. Fünf Monate später meldete sich die Patientin und berichtete über deutliche Veränderungen. Sie erkrankte an Brustkrebs und musste mehrfach operiert werden. Sie warf dem Arzt vor, sie nicht zur Kontrolluntersuchung einbestellt zu haben, und forderte ein Schmerzensgeld von 85.000 Euro.

Das OLG wies ihre Klage ab. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen habe der Arzt alle Untersuchungen vorgenommen, die bei den gegebenen Befunden erforderlich gewesen seien, einschließlich einer Mammasonographie. Ihm seien keine Fehler vorzuwerfen. Verzichte die Patientin von sich aus auf die ihr nahegelegten Kontrolluntersuchungen, könne man dies nicht dem Arzt vorwerfen. Der Arzt sei nicht dazu verpflichtet, seine Patienten von sich aus zur Kontrolluntersuchung einzubestellen (Urteil vom 17.6.2024, Az. 5 U 133/23).

Bis wann muss die Aufklärung des Patienten erfolgt sein?


Auch eine unzureichende Aufklärung vor einer Behandlung oder OP ist ein Behandlungsfehler. In diesem Fall kann der Patient keine gültige Zustimmung zur Behandlung erteilen, da er nicht ausreichend über mögliche Risiken informiert ist. Dann ist die Behandlung rechtswidrig.

Das Landgericht Frankenthal hat entschieden, dass eine Aufklärung auch nicht zu spät erfolgen darf. Finde sie erst am Tag vorher oder erst während der Vorbereitung der Operation statt, sei die Zustimmung des Patienten unwirksam. Im konkreten Fall ging es um eine Augenoperation wegen erhöhten Augeninnendrucks. Einer Patientin war eine Linse mit mehreren Sehstärken eingesetzt worden. Die Aufklärung fand erst 30 Minuten vor der OP statt. Dabei kam es zu Komplikationen, die die Sehfähigkeit auf dem betreffenden Auge sehr verschlechterten. Die Patientin erklärte, dass sie sich mit mehr Bedenkzeit für eine weniger riskante Methode entschieden hätte. Das Gericht sprach ihr 10.000 Euro Schmerzensgeld zu (Urteil vom 30.5.2022, Az. 4 O 147/21).

Sehnenriss: Welche Untersuchung ist die richtige?


Eine Frau war nach einem Treppensturz ins Krankenhaus gekommen. Eine MRT-Untersuchung zeigte einen teilweisen Sehnenriss in der Schulter. Eine Ultraschalluntersuchung bestätigte dies nicht. Nun wurde noch eine Arthroskopie vorgenommen. Auch diese bestätigte den Sehnenriss nicht. Die Arthroskopie führte zu postoperativen Beschwerden. Die Patientin verlangte Schmerzensgeld, weil diese unnötig gewesen sei.

Das Oberlandesgericht Hamm war der Ansicht, dass eine Arthroskopie durchaus zur Klärung eines per MRT festgestellten Sehnenrisses erforderlich sein könne. Die Klinik hätte die Patientin nicht über die Möglichkeit einer anderen konservativen (also nicht operativen) Behandlung aufklären müssen, wenn diese nicht medizinisch zumindest ebenso angezeigt gewesen wäre wie die Arthroskopie (Az. 26 U 101/12).

Risiko-Schwangerschaft: Welche Klinik ist die richtige?


Eine werdende Mutter muss bei einer Hochrisiko-Schwangerschaft in eine Klinik eingewiesen werden, die für diesen Fall geeignet ist und die richtige Notfallausstattung besitzt. Dies betonte das Oberlandesgericht Frankfurt.

Eine Frau war mit 37 Jahren zum ersten Mal schwanger und erwartete eineiige Zwillinge. Ein Arzt hatte sie wochenlang stationär in einer Geburtsklinik behandelt, die nicht über eine sogenannte neonatologische Intensivstation zur notfallmäßigen intensiven medizinischen Versorgung von Neugeborenen verfügte. Schließlich starb eines der Kinder im Mutterleib. Das andere wurde per Notkaiserschnitt geboren und erlitt dabei unter anderem schwere Hirnschäden, die zu einer Entwicklungsstörung führten. Das Kind war außerdem blind und hörgeschädigt.

Hier sah das Gericht mehrere grobe Behandlungsfehler von Arzt und Klinik. So hätte die Mutter mit dieser Hochrisikoschwangerschaft gar nicht in einer Klinik ohne Notfallausstattung behandelt werden dürfen. In solchen Fällen seien Komplikationen jederzeit möglich. Das Gericht verurteilte Arzt und Klinik zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 720.000 Euro (Urteil vom 18.2.2025, Az. 8 U 8/21).

Schmerzensgeld nach Totgeburt?


Eine Frau hatte ihren Sohn traurigerweise tot in einem Krankenhaus zur Welt gebracht. Die Ursache sah sie in einem fehlerhaften Unterlassen eines Notfallkaiserschnitts. Das Oberlandesgericht Hamm sah hier keinen Behandlungsfehler: Als die Frau am Tag der Geburt im Krankenhaus eingetroffen sei, habe das Kind schon nicht mehr gerettet werden können. Sie sei direkt nach ihrem Eintreffen an ein CTG-Gerät angeschlossen worden. Dabei seien keine kindlichen Herztöne mehr feststellbar gewesen. Auch nach dem Ergebnis weiterer Untersuchungen habe das Kind nicht mehr gelebt. Daher sei zu diesem Zeitpunkt kein Notfallkaiserschnitt mehr angezeigt gewesen.

Ein Notkaiserschnitt setze eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass das Kind noch lebe und ohne den Eingriff sterben könne. Nur in diesem Fall sei es gerechtfertigt, zur Rettung des Kindes Leben und Gesundheit der Mutter zu riskieren. Das Gericht wies die Klage auf Schmerzensgeld ab (Az. 26 U 191/12).

Hohes Schmerzensgeld wegen Versäumnissen bei Geburt


Das Landgericht Göttingen hat sich mit Fehlern bei der Geburt eines Mädchens befasst. Dem Gericht zufolge wäre ein Notkaiserschnitt erforderlich gewesen, der aber weder von der Hebamme noch vom behandelnden Arzt eingeleitet wurde. Dem Gericht zufolge hätten beide den schlechten Gesundheitszustand des Kindes und die Notwendigkeit dieser Maßnahme erkennen müssen. Sie hätten auch versäumt, das Neugeborene nach der Geburt ausreichend zu überwachen und mit Sauerstoff zu versorgen. Obendrein hätte das Personal der beklagten Krankenhausgesellschaft die Pflicht gehabt, den darauf spezialisierten Notdienst der Uniklinik hinzuzuziehen. Dies sei nicht geschehen. Infolge der Behandlungsfehler leide das Mädchen an schwersten körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Es könne nicht eigenständig essen und benötige permanente Betreuung. Daran werde sich nichts mehr ändern.

Daher verurteilte das Gericht die Krankenhausgesellschaft zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von einer Million Euro. Schmerzensgelder in dieser Höhe werden in Deutschland äußerst selten zugesprochen. Die gynäkologische Geburtsstation des betreffenden Krankenhauses wurde mittlerweile geschlossen (Urteil vom 14.8.2025, Az. 12 O 85/21).

Augeninnendruck-Messung vergessen: 80.000 Euro Schmerzensgeld


Ein junges Mädchen litt seit seinem zehnten Lebensjahr an Diabetes. Die mittlerweile 19-Jährige hatte wiederholt wegen zunehmender Sehschwäche ihre Augenärztin aufgesucht. Allerdings nahm die Ärztin bei keinem der Termine eine Messung des Augeninnendrucks vor – eigentlich hier eine Routineuntersuchung, da besonders bei Diabetes die Gefahr einer Erblindung durch einen zu hohen Augeninnendruck besteht. Schließlich kam die junge Frau mit stark überhöhtem Augeninnendruck als Notfall in eine Klinik. Dort wurde fortgeschrittener Grüner Star festgestellt. Trotz mehrerer Operationen ließ sich ihre Sehfähigkeit nicht richtig wiederherstellen, da die Augen zu sehr geschädigt waren. Zuvor hatte die junge Frau noch eine Sehfähigkeit von mehr als 60 Prozent gehabt, nun waren es unter 30 Prozent.

Zunächst verklagte die Patientin ihre Augenärztin wegen der nicht durchgeführten Untersuchung auf 45.000 Euro Schmerzensgeld. Als sie erfuhr, dass sie bei ihrem Krankheitsbild durchaus auch komplett erblinden könne, erhöhte sie ihre Forderung auf 80.000 Euro.

Das Oberlandesgericht Hamm sprach ihr diese Summe zu. Ein medizinischer Sachverständiger hatte ausgesagt, dass die Ärztin unbedingt eine Augeninnendruck- und eine Gesichtsfeldmessung hätte durchführen müssen, um den Grund für die sich verschlechternde Sehfähigkeit zu finden. Eine solche Untersuchung hätte die Ursache aufgedeckt und es hätte die Möglichkeit bestanden, den Augeninnendruck medikamentös zu senken und die Patientin zusätzlich stationär in eine Augenklinik einzuweisen. So hätte sehr wahrscheinlich der weitergehende Verlust der Sehfähigkeit gestoppt werden können. Dieser beruhe auf einem schwerwiegenden Befunderhebungsfehler und somit auf einem Arztfehler der Augenärztin.

Das hohe Schmerzensgeld begründete das Gericht damit, dass die Klägerin durch die zu späte Behandlung kein normales Leben mehr führen könne. Sie werde nie Auto fahren lernen können, könne kaum Sport treiben und sich auch ihren Beruf nicht frei aussuchen. Sie brauche für jede Arbeit einen speziell eingerichteten Arbeitsplatz – mit entsprechenden Folgen für ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Bereits all dies rechtfertige das Schmerzensgeld von 80.000 Euro. Die Gefahr einer Erblindung wurde dabei nicht berücksichtigt, da man die weitere Entwicklung nicht sicher vorhersagen konnte (Urteil vom 10.5.2016, Az. 26 U 107/15).

Zahnmedizin: Streit um Amalgamfüllungen


Zahnfüllungen aus Amalgam sind umstritten. Die Legierung Amalgam enthält außer Silber auch Quecksilber. Eine Patientin hatte seit ihrer Kindheit Amalgamfüllungen. Eine Zahnärztin setzte ihr zusätzliche ein. Allerdings hatte die Patientin einen Metallgeschmack im Mund und viele ungeklärte medizinische Probleme. Diese schrieb sie dem Amalgam zu und ließ alle Amalgamfüllungen von einem neuen Zahnarzt entfernen. Der ursprünglichen Zahnärztin warf sie Behandlungsfehler vor. Diese habe unsachgemäß Amalgam und andere Metalle wie Gold zusammen verarbeitet und eine Amalgamallergie nicht erkannt. Daher hätten ihr zwei Zähne gezogen werden müssen und es seien viele weitere Beschwerden entstanden. Die Patientin verlangte insgesamt 12.000 Euro Schmerzensgeld, über 11.000 Euro Schadensersatz und die Feststellung einer Einstandspflicht für künftige Schäden.

Ein Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass Amalgam in Zahnfüllungen grundsätzlich unbedenklich sei. Die Oberfläche von Silberamalgamen werde bei Kontakt mit Speichel mit einem Niederschlag überzogen, der weitere elektrochemische Reaktionen unterbinde. Der von den Gegnern von Amalgamfüllungen angenommene Zusammenhang zwischen verschiedenen Krankheiten und diesen Füllungen sei nicht bewiesen. Es existierten auch keine neuen Erkenntnisse zu Amalgam. Die aktuelle Forschung beschäftige sich mit Nachfolgematerialien. Die Patientin habe keine üblichen Allergiesymptome. Das Gericht wies die Klage ab, da hier kein Behandlungsfehler vorliege (OLG Hamm, Urteil vom 4.3.2016, Az. 26 U 16/15).

Arzthaftung: Wer haftet, wenn mehrere Ärzte Behandlungsfehler machen?


Eine Patientin hatte wegen einer Magenanomalie namens "Upside-Down-Stomach" an erheblichen Magenbeschwerden gelitten. Sie ließ sich in einem Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Bei der Operation wurden die Nähte falsch gesetzt. Dadurch verdrehte sich der Magen und kippte ab. In einer weiteren Operation in einer anderen Klinik sollte dies korrigiert werden. Dort löste der Operateur zwar die fehlerhaften Nähte der ersten Operation, versäumte es aber, den Magen korrekt zu befestigen. Dieser kippte erneut in eine falsche Position. Dadurch kam es nach einiger Zeit zu einer Magenblähung. Nun musste ein Teil des Magens operativ entfernt werden. Danach kam es zu Schwierigkeiten bei der Wundheilung. Vier Jahre lang wurde die Patientin immer wieder operiert. Schließlich forderte sie vom ersten Krankenhaus 70.000 Euro Schmerzensgeld und einen Ersatz von Haushaltsführungskosten von der Zeit der ersten Operation an. Das erste Krankenhaus trug ihrer Ansicht nach auch die Verantwortung für die Fehler bei der Folgeoperation und die weiteren Operationen.

Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm musste das Krankenhaus in Recklinghausen nicht nur für den ersten Behandlungsfehler bei der Operation haften, sondern auch für alles Weitere. Die Revisionsoperation sei nur durch die erste, fehlerhafte Operation überhaupt notwendig geworden. In solchen Fällen hafte grundsätzlich das erste Krankenhaus auch für die Folgefehler.

Eine Ausnahme bestünde nur, wenn der zweite Operateur in ganz außergewöhnlichem Maße seine ärztlichen Pflichten verletzt und gegen alle ärztlichen Regeln verstoßen habe. Hier sei dies nicht der Fall.

Das Gericht gestand der Patientin ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro zu. Der hohe Betrag ergebe sich durch die vielfachen Operationen und Krankenhausaufenthalte, denen die Klägerin wegen der ärztlichen Behandlungsfehler ausgesetzt gewesen sei. Sie werde ihr Leben lang unter Schmerzen leiden. Zusätzlich bekam sie eine Haushaltsführungsentschädigung von über 30.000 Euro für vier Jahre zugesprochen (15.11.2016, Az. 26 U 37/14).

Arzthaftung: Müssen Krankenhausärzte vor einer OP den Hausarzt einbeziehen?


Nach einem Urteil des Landgerichts Münster sind die behandelnden Ärzte bei der Entscheidung über eine Operation einzubeziehen. Dabei ging es um eine Patientin, bei der eine Sleeve-Gastrektomie (Magen-Verkleinerung) durchgeführt worden war, um eine Gewichtsverringerung zu erreichen. Der behandelnde Hausarzt hatte deutlich von dieser Operation abgeraten und die Klinik aufgefordert, den Eingriff nicht durchzuführen, da die Patientin psychisch krank und nicht in der Lage sei, Risiken und mögliche Komplikationen der Operation zu verstehen. Sie liebe gutes und reichhaltiges Essen seit vielen Jahren und werde sich nach der OP keiner Diät unterziehen. Die Klinik operierte trotzdem. Wenige Tage später wurde die Patientin als Notfall eingeliefert, mit Schüttelfrost, Fieber und Erbrechen. Sie wurde nach wochenlanger Behandlung entlassen, ihre Beschwerden traten aber sofort wieder auf. Daraufhin wurde ihr in einem anderen Krankenhaus der gesamte Magen entfernt. Schließlich verklagte die Patientin die erste Klinik auf 125.000 Euro Schmerzensgeld, weil diese die Beurteilung ihres Hausarztes ignoriert habe.

Das Gericht entschied: Die Operation hätte unterlassen werden müssen, weil die notwendige Mitwirkung der Patientin nach der OP nicht sichergestellt gewesen sei. Nach Ansicht des Gerichts hätte die Klinik zumindest Kontakt zum Hausarzt aufnehmen oder die Klägerin mit dessen Befund erneut zu ihrem Psychiater schicken müssen, bevor die Entscheidung zur Operation fiel. Der Befund des Hausarztes habe das komplette Nachbehandlungskonzept der Operation in Frage gestellt und hätte nicht ignoriert werden dürfen. Das Gericht hielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro für ausreichend (Urteil vom 14.11.2024, Az. 111 O 6/23).

Praxistipp zur Arzthaftung bei Behandlungsfehlern


Bei Rechtsstreitigkeiten über mögliche Behandlungsfehler und die Arzthaftung sind Spezialkenntnisse unbedingt erforderlich. Hier empfiehlt es sich, sich an einen Fachanwalt für Medizinrecht zu wenden.

(Wk)


 Günter Warkowski
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