Wann bleibt eine Vollmacht über den Tod hinaus wirksam?

27.11.2025, Autor: Herr Thorsten Post / Lesedauer ca. 4 Min. (3 mal gelesen)
Das OLG Brandenburg entschied, dass eine transmortale Vollmacht auch dann fortwirkt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe wird – jedenfalls solange der Rechtsschein nicht beseitigt ist. Damit bleibt ein nach dem Tod geschlossener Grundstückskaufvertrag wirksam.

Die Frage, ob eine Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers noch verwendet werden darf, ist in der erbrechtlichen Praxis von großer Bedeutung. Besonders bei Immobiliengeschäften entstehen erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Risiken, wenn unklar bleibt, ob eine Handlung „für den Verstorbenen“ noch wirksam vorgenommen werden kann. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags befasst, der von der Alleinerbin auf Grundlage einer transmortalen Vollmacht abgeschlossen wurde. Die Entscheidung verdeutlicht nicht nur die Reichweite solcher Vollmachten, sondern auch die Bedeutung des Rechtsscheins, der von notariellen Vollmachtsurkunden ausgeht.

Im entschiedenen Fall war der verstorbene Ehemann im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Er hatte seiner Ehefrau bereits zu Lebzeiten eine umfassende notarielle Generalvollmacht erteilt, die ausdrücklich über seinen Tod hinaus gelten sollte. Nach dem Tod des Ehemanns wurde die Ehefrau aufgrund eines gemeinschaftlichen notariellen Testaments zur Alleinerbin. Kurze Zeit später veräußerte sie das im Grundbuch eingetragene Grundstück „namens des Verstorbenen“ an eine Erwerberin und berief sich dabei ausschließlich auf die ihr erteilte Vollmacht. Der beurkundende Notar beantragte anschließend die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Käuferin. Das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung und begründete dies damit, dass die Vollmacht aufgrund der Alleinerbenstellung der Verkäuferin „durch Konfusion“ erloschen sei und sie daher nicht mehr als Vertreterin des Verstorbenen auftreten könne. Die Antragstellerin hätte, so das Grundbuchamt, lediglich als Eigentümerin und nicht als Bevollmächtigte handeln dürfen.

Das OLG Brandenburg hat diese Auffassung korrigiert und die Entscheidung des Grundbuchamts aufgehoben. Der Senat stellt zunächst klar, dass eine transmortale Vollmacht grundsätzlich auch nach dem Tod des Vollmachtgebers fortbesteht. Weder das der Vollmacht zugrunde liegende Auftragsverhältnis noch die Vollmacht selbst erlöschen automatisch durch den Tod, sofern der Erblasser etwas anderes nicht ausdrücklich angeordnet hat. Das bedeutet: Eine wirksam erteilte Vollmacht erlaubt dem Bevollmächtigten auch nach dem Tod des Vollmachtgebers, Rechtsgeschäfte mit Wirkung für und gegen den Nachlass vorzunehmen.

Das Gericht unterstreicht zudem die Bedeutung des Rechtsscheins nach §§ 171 ff. BGB. Legt ein Bevollmächtigter eine notarielle Vollmachtsurkunde vor, darf der Geschäftsgegner grundsätzlich auf die Wirksamkeit und den Fortbestand der Vollmacht vertrauen, solange der Rechtsschein nicht wirksam beseitigt worden ist. Das setzt voraus, dass die Vollmachtsurkunde entweder an den Vollmachtgeber zurückgegeben oder ausdrücklich kraftlos erklärt wurde. Daran fehlte es im entschiedenen Fall. Die Urkunde lag unverändert vor, und die Erbin hatte sie dem Notar vorgelegt, ohne zugleich auf ihre Erbenstellung zu verweisen. Der Rechtsschein war daher ungebrochen.

Damit ist nach Auffassung des Senats entscheidend, dass die Erbin ausschließlich als Vertreterin des Verstorbenen handelte und sich nicht gleichzeitig auf ihre Stellung als Alleinerbin berief. Der Umstand, dass sie tatsächlich Eigentümerin geworden war, spielt für die Wirksamkeit des Vertreterhandelns keine Rolle. Eine solche Konstellation unterscheidet sich maßgeblich von den Fällen, in denen der Vertreter ausdrücklich erklärt, gleichzeitig als Erbe und als Bevollmächtigter zu handeln, oder wenn er seine Erbenstellung gegenüber dem Geschäftsgegner offenlegt. In diesen Fallgruppen kann der Rechtsschein der Vollmacht entfallen, weil für den Geschäftsgegner erkennbar wird, dass er nicht mehr auf die Vertretungsmacht vertrauen darf. Das war hier jedoch nicht gegeben.

Das OLG hebt zudem hervor, dass auch die Bewilligung der Auflassungsvormerkung wirksam geworden ist. Eine solche Erklärung entfaltet erst dann verfahrensrechtliche Wirkung, wenn sie mit Willen des Erklärenden dem Grundbuchamt oder dem Erwerber zugeht. Auch hier genügt es, dass der Notar als Erklärungsbote mit der Einreichung der Urkunde beauftragt wurde. Stirbt der Erklärende vor dem Zugang beim Grundbuchamt, bleibt die Bewilligung gleichwohl wirksam, wenn die Absendung bereits veranlasst war. Ebenso bleibt die Bewilligung wirksam, wenn der Notar aufgrund vertraglicher Vereinbarungen berechtigt war, den Antrag auf Eintragung im Namen der Beteiligten selbstständig zu stellen. Entscheidend ist daher der Zeitpunkt, in dem der Notar mit der Weiterleitung beauftragt wurde, nicht der Zeitpunkt des Eingangs beim Grundbuchamt.

Das Gericht weist schließlich darauf hin, dass es unerheblich ist, ob das Grundbuchamt bei Eingang des Eintragungsantrags bereits Kenntnis davon hatte, dass die Vertreterin Alleinerbin ist. Dieser Umstand ändert nichts am Fortbestand der Rechtsscheinvollmacht im Verhältnis zwischen Vertreter und Erwerberin. Der Vertrauensschutz der Erwerberin bleibt bestehen, solange der Rechtsschein der notariellen Vollmacht nicht beseitigt wurde. Die Erwerberin durfte darauf vertrauen, dass die Vertreterin rechtswirksam handelte.

Die Entscheidung verdeutlicht die Tragweite transmortaler Vollmachten und schafft Klarheit für Erben, Notare und Erwerber. Sie bestätigt, dass ein Erbe nicht allein deshalb gehindert ist, aufgrund einer postmortalen Vollmacht für den Verstorbenen zu handeln, weil er durch Erbfolge selbst berechtigt geworden ist. Solange der Erbe ausschließlich auf die Vollmacht gestützt handelt und der Rechtsschein nicht aufgehoben ist, bleibt das Vertreterhandeln wirksam. Dies kann im Einzelfall erhebliche Vorteile bieten, weil der Erbe – anders als ein Erbengemeinschaftsmitglied – über die Vollmacht oft weitergehende Handlungsmöglichkeiten besitzt und insbesondere gegenüber Dritten schneller und flexibler agieren kann.

Die Entscheidung stärkt somit die Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr nach einem Erbfall und zeigt, dass Grundbuchämter die Weitergeltung einer Vollmacht nicht mit dem bloßen Hinweis auf die Erbenstellung in Frage stellen dürfen. Für die Gestaltung in der notariellen Praxis empfiehlt sich weiterhin, Vollmachten klar als trans- oder postmortal auszugestalten und deren Fortbestand auch im Zusammenspiel mit späteren Verfügungen sicherzustellen.

Thorsten Post, Rechtsanwalt

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