Eigenbedarfskündigung

19.03.2022, Autor: Herr Norbert Monschau / Lesedauer ca. 2 Min. (506 mal gelesen)
Bei einer Eigenbedarfskündigung muss der Mieter eine Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim nicht hinnehmen

Der Mieter muss sich nicht auf eine Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim verweisen lassen, wenn wegen seiner Erkrankungen und der Pflegebedürftigkeit besondere Schwierigkeiten bei der Beschaffung von geeignetem Ersatzwohnraum vorliegen und die dringende Vermutung besteht, dass bei einem Auszug die Notwendigkeit der Unterbringung in einer solchen Einrichtung kaum vermeidbar ist (LG Hanau v. 22.07.21 - 2 S 138/20).

Sachverhalt: Der Vermieter verlangt die Räumung der Mietwohnung wegen Eigenbedarfs. Die betagten und gesundheitlich stark eingeschränkten Mieter erheben den Härteeinwand. Das AG Hanau (v. 23.10.20- 32 C 227/19) hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Mieter vor dem LG Hanau hat Erfolg.
Zwar habe der Vermieter das Mietverhältnis wirksam gekündigt. Auch liege Eigenbedarf i.S.d. § 573 Abs. 2, Ziff. 2 BGB vor. Allerdings greife der Härteeinwand gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB, so dass die Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen können.

Wichtig: Berufen sich gekündigte Mieter auf drohende schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen, um die Fortsetzung eines Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 BGB zu erreichen, müssen die Gerichte bei der Prüfung der vorgetragenen Härtegründe besonders sorgfältig vorgehen. Bei Fehlen eigener Sachkunde müssen sie sich mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind (BGH v.  15.03.17 - VIII ZR 270/15).

Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte ein Gutachter festgestellt, dass einer der beiden Mieter nicht nur außerordentlich schwer erkrankt (Folgen eines Schlaganfalls, u.a. beginnende Demenz und Epilepsie) sondern infolge seiner Erkrankungen auch ganz erheblich pflegebedürftig war (Pflegegrad 4). Daher bedeutete für ihn ein erzwungener Auszug aus der Wohnung ein zusätzliches gesundheitliches Risiko. Außerdem hatte er wegen der Erkrankungen und der Pflegebedürftigkeit besondere Schwierigkeiten bei der Beschaffung von geeignetem Ersatzwohnraum. Vor diesem Hintergrund bestand die dringende Vermutung, dass sich im Fall eines Auszuges die Notwendigkeit der Unterbringung des Mieters in einem Alten- oder Pflegeheim kaum verhindern lasse. Darauf müsse sich der Mieter nicht verweisen lassen.

Unser Praxishinweis: Steht nach der Beweisaufnahme fest, dass der Mieter - insbesondere wegen einer langen Mietdauer und der damit meist verbundenen günstigeren Miete, seines Alters und den damit evtl. besonderen Bedürfnissen und der Verwurzelung in der Nachbarschaft sowie wegen etwaiger Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit – keinen angemessenen Ersatzwohnraum findet, kann dies nach den konkreten Einzelfallumständen auch einen Härteeinwand nach § 574 Abs. 2 BGB begründen. Dabei muss sich der Mieter grds. nicht auf eine Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim verweisen lassen (bereits OLG Karlsruhe v. 03.07.70 - 1 REMiet 1/70), soweit er noch in der Lage ist – auch mit Hilfe von anderen – einen eigenen Haushalt zu führen.


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