Heise vs. Musikindustrie: BGH urteilt zu der Frage, welche Funktion einem Link in der Online-Berichterstattung zukommt.

21.10.2010, Autor: Herr Lars Jaeschke / Lesedauer ca. 2 Min. (2576 mal gelesen)
Wie darf die Presse über Software zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen berichten? Ist es zulässig, in Online-Artikeln Links zum Hersteller dieser Software zu setzen ? Zu diesen Fragen hat der BGH nun geurteilt.

Dem Heise Zeitschriften Verlag war gerichtlich zuletzt vom Oberlandesgericht München (Urteil vom 23. Oktober 2008, Az. 29 U 5697/07) untersagt worden, im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung über Kopierschutzsoftware einen Link auf die Internetseite des Unternehmens Slysoft zu setzen. Das Unternehmen hatte auf einer Unterseite seinen Kopierschutzknacker zum Download angeboten. Das OLG München meinte seinerzeit, der Heise Verlag hafte als Teilnehmer (§ 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95a Abs. 3 UrhG) für einen Verstoß gegen das Urheberrecht durch Dritte. Die Richter des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs haben nun das Urteil des OLG München aufgehoben und die Klage der Musikindustrie abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, in der Verhandlung vor dem BGH am 14.10.2010 machte der Senat aber bereits in der Einführung deutlich, dass in dem langjährigen, bereits seit 2005 bestehenden Verfahren im Kern nur noch die Frage relevant sei, welche Funktion dem Link in der konkreten Berichterstattung zukomme. Grundsätzlich sei das Verlinken als Mittel der Berichterstattung zulässig. Habe der Link als äquivalente Fußnote der reinen Informationsbeschaffung gedient, spräche dies für seine Zulässigkeit. Anders sehe es aus, falls dem Leser lediglich die Beschaffung der illegalen Software erleichtert werden sollte.
Auf die Urteilsbegründung darf mit Spannung gewartet werden, denn die richterliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Verweis auf die Slysoft-Homepage inhaltliche Bedeutung für den Bericht gehabt haben muss um zulässig gewesen zu sein oder ob es ausreicht, wenn dieser als Beleg für die Berichterstattung dient, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die eindeutige Entscheidung zugunsten der Rechtsposition des Heise Zeitschriften Verlags ist aber im Ergebnis zu begrüssen. Im Rahmen der Online-Berichterstattung hat die Linksetzung herausragende Bedeutung und ist von der Pressefreiheit gedeckt. Die Annahme, dass der Beklagte dem Leser den Download der Software erleichtern wollte, ist eher fernliegend. Auch ohne Linksetzung wäre es jedem Leser möglich gewesen, die betreffende Seite zu googeln. Durch den Link haben die Leser lediglich nicht mehr drei Klicks benötigt, um auf den Inhalt der betreffenden Seite zu gelangen, sondern nur zwei. Die Bejahung einer rechtlich relevanten „technischen Unterstützungsleistung“ für etwaige Urheberrechtsverletzungen wirkte daher konstruiert. Die Entscheidung des BGH trägt den tatsächlichen Gegebenheiten der Internetgesellschaft Rechnung. Es bleibt abzuwarten, ob die Kläger das Bundesverfassungsgericht anrufen.
Quellen: www.heise.de; OLG München, Urteil vom 23. Oktober 2008, Az. 29 U 5697/07; eigene Recherche.


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