Urteil des LG Frankfurt vom 18.08.2010 (Az: 2-6 S 19/09) zur Filesharing-Haftung von Hotels im Wortlaut

03.02.2011, Autor: Herr Lars Jaeschke / Lesedauer ca. 6 Min. (3311 mal gelesen)
„Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 25.09.2009 - Az. 31 C 266/08-16 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 1.049,- nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2008 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.049,- nebst Zinsen mit der Begründung abgewiesen dass die Beklagte durch ihre Abmahnung des Klägers, der ein Hotel betreibt, vom 6. August 2008 jedenfalls nicht schuldhaft in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen hat. Hinsichtlich der Tätigkeit der Bevollmächtigten des Klägers nach Zurückweisung der Abmahnung und Aufrechterhaltung der geltend gemachten Ansprüche durch die Beklagte mit Schreiben vom 10.09.2008 fehlte es jedenfalls, so das Amtsgericht, an einem Schaden des Klägers. Auf die zweite, zwischen den Parteien (ebenfalls) streitige Frage, ob überhaupt ein (rechtswidriger) Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebertrieb vorliege, ist das Amtsgericht infolgedessen nicht eingegangen. Es hat festgestellt, dass der Kläger seinen Gästen einen Internet-Zugang über ein drahtloses, unstreitig sicherheitsaktiviertes und verschlüsseltes Netzwerk anbietet und diese zuvor auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hinweist. Der streitbegründende Upload eines Werkes der Beklagten ist unstreitig weder durch den Kläger selbst noch durch dessen Angestellte erfolgt. Die von der Beklagten ausgesprochene Abmahnung war an das Hotel gerichtet, dessen Inhaber der Kläger ist. Dieser Abmahnung hat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 27.08.2008 widersprochen und die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.09.2008 zum Ersatz der damit verbundenen Kosten aufgefordert. Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgericht Frankfurt am Main vom 25.09.2009 (Bl. 71 ff. d.A.).
Der Kläger wendet sich in erster Linie gegen die Verneinung eines schuldhaften Handels der Beklagten durch das Amtsgericht. Die Beklagte habe vor ihrer Abmahnung Kenntnis gehabt, dass es sich bei dem Anschlussinhaber um einen Hotelbetrieb gehandelt hat und habe die ihr zumindest deshalb obliegenden, einer rechtmäßigen Abmahnung vorgelagerten Prüfpflichten verletzt. Zudem sei ein Hotel gemäß § 8 TMG haftungsprivilegiert und hafte schon deshalb - für die Beklagte erkennbar - nicht. Unabhängig von dem Betrieb eines Hotels hafte der Kläger auch nicht als Störer, so dass die ausgesprochene Abmahnung in jedem Fall von Anfang an nicht rechtmäßig gewesen sei, was die Beklagte jedenfalls hätte erkennen müssen. Letztlich hält der Kläger das amtsgerichtliche Urteil für widerspruchsbehaftet, da dies ausgeführt habe, dass ein Verschulden des Klägers keinesfalls vorliege, obgleich die Abmahnung in jedem Fall zumindest teilweise, nämlich jedenfalls hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzes unbegründet gewesen sei.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgericht Frankfurt vom 25.09.2009 den Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1049,00 zuzüglich 8% Zinsen über Basiszinssatz seit 04.09.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Beklagte macht sich die Ausführungen des Amtsgerichts Frankfurt überwiegend zu Eigen. Sie meint insbesondere, dass ein rechtsfreier Raum geschaffen würde, wenn der Kläger in keiner Weise für über seinen Internetanschluss begangene Rechtsverstöße verantwortlich wäre.

II.

Das Rechtsmittel des Klägers ist an sich statthaft (§§ 511, 511a ZPO) und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 518, 519 ZPO). Es hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte hat durch die Abmahnung des Klägers schuldhaft in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Im Einzelnen:

1.

Die Abmahnung des Klägers durch die Beklagte wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung erfolgte zu Unrecht:

a.

Eine Haftung des Klägers als Täter oder Teilnehmer kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil unstreitig weder der Kläger noch dessen Angestellte ein Werk der Beklagten auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer einer Tauschbörse bereitgestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht noch solches unterstützt haben.

b.

Auch eine Haftung des Klägers als Störer kommt vorliegend nicht in Betracht. Hinsichtlich seiner Gäste, denen er den Zugang zu dem verschlüsselten Funknetzwerk vermittelt hat, ergibt sich dies daraus, dass er diese zuvor auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hingewiesen hat. Eine weitergehende Prüfungspflicht vor einer ersten Rechtsverletzung besteht für den Kläger - unabhängig von der Frage, ob sein Geschäftsmodell durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten nicht ohnehin gefährdet wäre (vgl. BGHZ 158, 236, 251f.) - auf Grund der Verschlüsselung nicht (BGH GRUR 2010, 633, 635; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2008, 279ff.). Hinsichtlich Dritter ergibt sich dies ebenfalls auf Grund der einstreitig erfolgten marktüblichen Verschlüsselung des Funk-Netzwerkes mit dem dieses ausreichend (BGH GRUR 2010, 633, 635) gegen Urheberrechtsverletzungen durch Dritte gesichert war.

2.

Durch die unbegründete Abmahnung wegen vermeintlicher Schutzrechtsverletzung hat die Beklagte rechtswidrig (vgl. BGH NJW 2005, 3141) in das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Dieser Eingriff erfolgte auch schuldhaft i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, da die Beklagte jedenfalls fahrlässig handelte. Sie hat ohne die von ihr vorliegend zu erwartende Prüfung der Rechts- und insbesondere der Sachlage den Kläger abmahnen lassen.
Nach ganz einhelliger Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 2010, 633 ff., OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2008, 279 ff.; LG Düsseldorf vom 26.08.2009 zu Az. 12 O 594/07 zitiert nach JURIS; Rechtsprechungsüberblick bei Mühlberger GRUR 2009, 1022 ff.) kommt einer IP-Adresse keine mit einem eBay-Konto vergleichbare Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres ist sie keinem konkreten Nutzer, sondern nur einem Anschlussinhaber zugeordnet, der grundsätzlich dazu berechtigt ist beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss zu gestatten. Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Damit fehlt die Grundlage dafür, den Anschluss-Inhaber im Wege einer unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt (BGH, aaO). Da der Kläger nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. oben) auch nicht per se für Rechtsverletzungen durch seine Gäste oder sonstige Dritte haftet, kann ohne nähere Kenntnis der Sachlage im konkreten Fall der Anschlussinhaber gerade nicht einer Urheberrechtsverletzung bezichtigt werden, ohne dass sich der Bezichtigende zumindest Nachlässigkeit vorwerfen lassen musste. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Bezichtigten wie vorliegend um einen Betrieb (hier: Hotel) handelt, zu dessen Serviceleistungen es unproblematisch erkennbar gehört, Dritten (hier: Hotelgästen) den Zugang zum Internet via Funk-Netzwerk zu ermöglichen. In einem solchen Fall hätte die Beklagte als Rechtsinhaberin vor Abmahnung erst sichere Kenntnis der Sachlage verschaffen müssen und können. Es wäre ihr bspw. unproblematisch möglich gewesen, unter Hinweis auf ihr an dem Werk ... zustehende Urheberrechte und den vermeintlichen Veröffentlichungstatbestand den Kläger zur Äußerung bzw. zu konkreten Darlegung seiner Berechtigung zur Vornahme der angegriffenen Handlung aufzufordern ("Berechtigungsanfrage"). So hätte sie ohne Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. BGH GRUR 1997, 896, 897) die starke Unsicherheit über den Verletzungstatbestand beseitigen oder - falls sich der Kläger als vermeintlicher Rechtsverletzer nicht geäußert hätte - danach unverschuldet eine Abmahnung aussprechen können.
Der dem Kläger dem Grunde nach zustehende Schadensersatz erstreckt sich auf die mit der Abwehr der Abmahnung verbundenen Kosten eines Rechtsanwalts (vgl. BGH NJW 2006, 1065; Palandt/Grüneberg, § 249 BGB, Rz. 56f.), deren geltend gemachte Höhe nicht zu beanstanden ist.

Dieser Zahlungsanspruch ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die weitergehende Zinsforderung ist unbegründet, weil es sich bei dem Anspruch auf Kostenerstattung um keine "Entgeltforderung" im Sinn des § 288 Abs. 2 BGB handelt (vgl. Palandt/Grüneberg, § 288 Rn., § 286 Rn. 27; OLG Celle NJW-RR 2007, 393).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.“

Quelle: openJur 2011, 13522: https://openjur.de/u/83542.html

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