„Beleidigungsfreie Sphäre“ bei WhatsApp? Aktuelle Entscheidung im Medienstrafrecht

04.02.2019, Autor: Herr Bernd Fleischer / Lesedauer ca. 2 Min. (108 mal gelesen)
Wer seinen Familienmitgliedern über WhatsApp mal so richtig seine Meinung sagen will, der muss keine gerichtliche Verfolgung befürchten. Das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main hat klargestellt, dass Äußerungen über den Messenger-Dienst an engste Familienmitglieder in einer „beleidigungsfreien Sphäre“ stattfinden. Der Ehrschutz des Betroffenen müsse dann zurückstecken.

Familienstreit eskaliert über WhatsApp

Das Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegersohn ist nicht selten schwierig – im vorliegenden Fall führte es aber sogar vor das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main.

Auslöser waren Kindesmisshandlungsvorwürfe der Schwiegermutter an den Mann ihrer Tochter.  Nach einem Streit zwischen den Eheleuten war es zu einer impulsiven Handlung des Vaters gegenüber seines Sohnes gekommen – er hatte diesen am Nacken packend schneller aus seinem Zimmer führen wollen. Die Szene des schreienden Kindes und dem vermeintlich brutalen Vater hatte die Ehefrau gefilmt und dieses Video an ihre Mutter weitergegeben. Die Eheleute sind zwar weiterhin verheiratet, zwischen dem Kläger und seiner Schwiegermutter herrschte seitdem allerdings ein erbitterter Rechtsstreit.  

Schwiegermutter verbreitete Video über Messengerdienst

Die Schwiegermutter vermutete nach dem Video Kindesmisshandlungen ihres Schwiegersohnes gegenüber den Enkelkindern. Sie fertigte in der Folge sogar ein „Protokoll über Misshandlungen“ an und listete dort zahlreiche Verhaltensweisen des Schweigersohnes gegenüber seiner Kinder auf. Doch damit nicht genug – die Protokolle und das Video versendete die Schwiegermutter über den Messenger Dienst an ihre Schwester und schaltete auch das Jugendamt und die Kriminalpolizei ein. Schwere Vorwürfe gegen den Vater und Schwiegersohn, gegen die er sich nun gerichtlich zur Wehr setzen wollte. Er wollte seine Schwiegermutter auf Unterlassung der Behauptungen und Verbreitung der Vorwürfe verklagen – bisher allerdings ohne Erfolg.

OLG: Äußerungen unterfallen nicht dem Medienstrafrecht

Auch vor dem OLG in Frankfurt am Main hatte die Klage des Schwiegersohnes keinen Erfolg (Urteil v. 17.01.22019; Az.: 16 W 54/18).
Die Äußerungen seien über den Messenger-Dienst in einem „ehrschutzfreien Raum“ gefallen. Äußerungen, die in einem Bereich vertraulicher Kommunikation innerhalb besonders ausgestalteter Vertrauensbeziehungen getätigt werden, wozu insbesondere auch der engste Familienkreis gehöre, seien geschützt. Die Kommunikation habe in einer „beleidigungsfreien Sphäre“ stattgefunden. Dieser Bereich müsse nach Ansicht des Gerichtes geschützt werden, denn man solle sich mit seinen engsten Verwandten frei aussprechen können, ohne eine gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen.

Die Behauptungen der Schwiegermutter seien vorliegend genau in einem solchen familiären Freiraum erfolgt. Dass sie nicht persönlich, sondern über WhatsApp erfolgten, ändere daran nichts. Auch bloß fernmündliche Kommunikation könne unter denselben Schutz fallen, wenn ein schützenswertes Interesse an der familiären Kommunikation bestehe. Damit müsse vorliegend der Ehrschutz des Klägers hinter dem Schutz der freien Kommunikation der Familienmitglieder über WhatsApp zurückstehen.

Weiterleitung an öffentliche Stellen ebenfalls nicht rechtswidrig

Ach das Einschalten der öffentlichen Stellen könne nach Ansicht des Gerichtes keinen Unterlassungsanspruch rechtfertigen. An dieser Stelle prallen zwar Ehrschutz und das Recht der Beklagten auf gerichtlichen Rechtsschutz und rechtliches Gehör aufeinander. Es könne aber nicht gerechtfertigt sein, dass Äußerungen in einem Prozess oder die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten aus Gründen des Ehrschutzes zu straf- oder zivilrechtlichen Nachteilen führen – selbst wenn sich diese Behauptungen später als unrichtig und unaufklärbar erweisen.

Weitere Informationen zum Medienstrafrecht erhalten Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/medienstrafrecht-internetstrafrecht.html

 


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Dr. Bernd Fleischer

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