Störung des Hausfriedens: Wann darf der Vermieter dem Mieter kündigen?

27.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Hausfrieden,Vermieter,Kündigung,Lärm Ist unter Mietern kein friedliches Zusammenleben möglich, ist der Vermieter gefragt. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Kündigungsgrund: Für eine Kündigung ist erforderlich, dass der Mieter den Hausfrieden nachhaltig und erheblich gestört hat, zum Beispiel durch Beleidigungen, Mobbing, Randalieren, starke Geruchs- und Lärmbelästigung.

2. Abmahnung: Grundsätzlich ist vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich. In extremen Fällen kann diese aber auch entbehrlich sein, z.B. bei Anwendung körperlicher Gewalt.

3. Fristlose Kündigung: Kann dem Vermieter bzw. den Mietern nicht mehr zugemutet werden, das Mietverhältnis während einer mehrmonatigen Kündigungsfrist bei ordentlichen Kündigung noch fortbestehen zu lassen, so besteht auch die Möglichkeit zur fristlosen Kündigung, § 569 Abs. 2 BGB.
Für die anderen Mieter im Haus können Störungen des Hausfriedens das Wohnen zur Tortur machen. Schließlich soll die Wohnung ja auch der Erholung vom stressigen Berufsalltag dienen und nicht selbst zum Stressfaktor werden. Nur: Was lässt sich gegen solche Störungen unternehmen? Mieter und Vermieter haben durchaus Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Auch die Kündigung gehört dazu.

Was ist überhaupt der Hausfrieden?


Manche Pflichten im Mietverhältnis ergeben sich aus dem Mietvertrag, obwohl sie gar nicht ausdrücklich darin erwähnt werden. Eine davon ist die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Mieter und Vermieter müssen sich untereinander so verhalten, dass sie den jeweils anderen nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigen. Daraus ergibt sich für Mieter auch die Pflicht, andere Mieter nicht so zu belästigen oder zu schikanieren, dass diese kündigen oder die Miete mindern. Diese Rücksichtnahme kann man auch als den Hausfrieden bezeichnen. Eine Verletzung des Hausfriedens ist daher auch immer eine Verletzung mietvertraglicher Pflichten.

Was sind typische Verstöße gegen den Hausfrieden?


Hier einige Beispiele für Verletzungen des Hausfriedens:

- Beleidigungen und Tätlichkeiten gegen andere Mieter / den Vermieter,
- dauerndes lautes Austragen von Familienkrach / Polizeieinsätze,
- Mobbing / Stalking gegenüber Nachbarn,
- Mieter oder Besucher randalieren auf Grundstück oder im Treppenhaus,
- massive Geruchs- und Lärmbelästigungen.

Welche Rechte haben Mieter gegen den Vermieter?


Wenn Nachbarn im gleichen Haus den Hausfrieden stören, können Mieter von ihrem Vermieter verlangen, dass dieser dagegen einschreitet. Der Vermieter ist vertraglich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in der Mietwohnung normales, friedliches Wohnen möglich ist. Wenn durch andere Mieter ständig der Hausfrieden gestört wird, kann ein Mieter vom Vermieter die Beseitigung dieser Störung verlangen. Passiert nichts, kann er als Druckmittel die Miete mindern. Die Höhe der Mietminderung ist davon abhängig, wie schwer die Störungen sind. Für Mieter ist hier jedoch Vorsicht geboten: Unzulässige Mietminderungen können dazu führen, dass sich ein Mietrückstand ansammelt, der den Vermieter zur Kündigung berechtigt.
Allerdings können Mieter auch ihrerseits zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigt sein, wenn es zu heftig wird. Das Landgericht Hannover bestätigte eine solche Kündigung in einem Fall, in dem ein Mieter dem Sohn eines anderen Mieters in Drohbriefen körperliche Gewalt angedroht hatte (Urteil vom 14.3.2000, Az. 18 S 665/99). In Zeiten von Wohnungsmangel und teuren Mieten stellt sich allerdings die Frage, wo man kurzfristig eine neue Wohnung herbekommt.

Welche Rechte haben Mieter untereinander?


Auch untereinander sind Mieter nicht rechtlos. Ein Mieter kann von einem anderen Mieter verlangen, dass es dieser unterlässt, sein Besitzrecht an seiner Wohnung durch ständige Störungen des Hausfriedens zu beeinträchtigen. Er kann also vor Gericht die Beseitigung und künftige Unterlassung dieser Störungen direkt vom anderen Mieter verlangen. Wenn ihm ein Schaden entstanden ist, kann er den anderen Mieter auch auf Schadensersatz verklagen.

Welche Rechte haben Nachbarn?


Zu Nachbarschaftsstreitigkeiten kommt es häufig zwischen den Bewohnern von benachbarten Grundstücken. Allerdings haben Grundstücksnachbarn keinerlei Anspruch gegen den Vermieter des Nachbargrundstückes, um von diesem ein Einschreiten gegen seine Mieter zu verlangen. Der Grund: Der Vermieter kann nicht die Rechte anderer Leute geltend machen, mit denen er in keiner Vertragsbeziehung steht.
Stattdessen können Grundstücksnachbarn direkt gegen den Mieter des Nachbargrundstücks vorgehen. Sie können beispielsweise einen zivilrechtlichen Anspruch auf Unterlassung geltend machen. Nur müssen sie sich darum selbst kümmern. Bei Straftaten können sie die Polizei hinzuziehen.

Wann darf der Vermieter dem Störer kündigen?


Wenn in einem Mehrfamilienhaus eine Störung des Hausfriedens solchen Umfang annimmt, dass eine Kündigung im Raum steht, möchte der Vermieter das Mietverhältnis oft schnell beenden. Nicht selten handelt es sich um Fälle, in denen den anderen Mietern ein Zusammenleben mit dem Störer im gleichen Haus nicht mehr zuzumuten ist. Das bedeutet auch, dass es dem Vermieter nicht mehr zugemutet werden kann, ordentlich mit Frist zu kündigen und das Mietverhältnis noch während einer mehrmonatigen Kündigungsfrist weiter bestehen zu lassen.

Das Gesetz räumt dem Vermieter in § 569 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auch die Möglichkeit der fristlosen Kündigung ein, wenn dies der Fall ist. Gerechtfertigt ist eine Kündigung jedoch nur bei nachhaltigen und erheblichen Verstößen, die auch beweisbar sind. Weil das, was jemand als störend empfindet, generell im Auge des Betrachters liegt, gibt es zu den einzelnen Punkten viele Gerichtsurteile.

Eine Kündigung ist immer das letzte Mittel zum Abstellen einer Störung. Dabei muss der Vermieter die Interessen der verschiedenen Beteiligten abwägen und die Verhältnismäßigkeit beachten. Grundsätzlich sind vor einer Kündigung eine oder mehrere Abmahnungen des Störers nötig. Nur in extremen Fällen kann auf eine Abmahnung verzichtet werden. Bei der Kündigung wegen Verstößen gegen den Hausfrieden geht es allerdings relativ häufig um solche Extremfälle.

Beispiele: Wann ist die Kündigung erlaubt


Vom Landgericht München I wurde die fristlose Kündigung einer Mieterin wegen Sachbeschädigung bestätigt. Die Mieterin hatte bei Nacht Steine aus der Terrasse einer Mitmieterin gestemmt und sie gegen deren mit Rollläden geschlossene Fenster geworfen. Als Grund gab sie an, dass diese Mitmieterin zu laut sei. Das Gericht betrachtete diese massive Störung des Hausfriedens in Verbindung mit der Sachbeschädigung als ausreichenden Grund, um der Steinewerferin fristlos zu kündigen. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen (Beschluss vom 20.12.2005, Az. 14 S 22556/05).

Das Amtsgericht Brühl bestätigte die fristlose Kündigung gegen einen Mieter, der andere Mieter im Haus in mehreren Fällen beleidigt und bedroht hatte. Am Ende hatte er den Sohn einer anderen Mieterin beleidigt, vors Schienbein getreten und mit einer Zange in Richtung Kopf geschlagen. Dabei erlitt der Sohn der Nachbarin schwere Prellungen am Unterarm. Erst durch das Eingreifen mehrerer Nachbarn wurde der Angriff beendet. Das Gericht erklärte, dass der Vermieter einer Wohnung gewalttätige Angriffe eines Mieters gegen andere Mieter oder deren Gäste und Angehörige nicht hinnehmen müsse. Auch hier war keine Abmahnung erforderlich (Urteil vom 21.12.2007, Az. 22 C 433/07).

Vor dem Amtsgericht Braunschweig ging es um den Fall einer psychisch kranken, unter Betreuung stehenden Frau. Diese hatte ihrem Unmut über einen Wohnungsnachbarn Luft gemacht, indem sie Essensreste vor dessen Wohnungstür kippte und seine Tür mit Kot beschmierte. Daraufhin musste die Tür ausgetauscht werden. Das Gericht erklärte die fristlose Kündigung des Vermieters für wirksam – trotz eines langen Mietverhältnisses und des Widerstands der Betreuerin. Die Erkrankung der Frau ändere nichts daran, dass Mieter zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet seien (Urteil vom 18.2.2005, Az. 119 C 3037/04).

Beispiele: Beleidigung des Vermieters


Auch die Beleidigung des Vermieters stellt in der Regel einen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Ausnahmen gibt es nur, wenn der Vermieter den Mieter (nachweislich) provoziert hat.

Zum Beispiel bestätigte das Amtsgericht München die fristlose Kündigung eines Mieters, der in einem Zimmer in einem Arbeiterwohnheim wohnte. Sein Vermieter hatte diesen wegen rassistischer Beleidigungen anderer Mieter zur Rede gestellt. Daraufhin war er vom Mieter als "Schwein" beschimpft worden (Urteil vom 16.7.13, Az. 411 C 8027/13).

Das Landgericht Potsdam erklärte die fristlose Kündigung eines Mieters in einem Einfamilienhaus für wirksam. Dieser hatte sich gegenüber seinem Vermieter wiederholt verbale Entgleisungen geleistet. Daher war ihm bereits ordentlich mit Frist gekündigt worden. Dann hatte er sich jedoch auch noch mit dem Baufinanzierer des Vermieters in Verbindung gesetzt und dort behauptet, der Vermieter würde unbegründete Kündigungen aussprechen und sei obendrein zahlungsunfähig. Zu diversen Beleidigungen kam damit noch die übliche Nachrede als Straftat hinzu - und die fristlose Kündigung war berechtigt (Urteil vom 17. August 2011, Az. 4 S 193/10).

In einem anderen Fall war ein Vermieter von seinen Mietern um sechs Uhr morgens angerufen worden, weil die Wassertemperatur im Haus zu gering sei (35 Grad statt 40). Er stand kurz nach neun Uhr bereit, um sich das Problem anzusehen. Nur wurde er nicht in die Wohnung gelassen. Als er den Mietern das Temperaturproblem nicht abnahm (weil er im gleichen Haus wohnte) musste er sich als "promovierter Arsch" bezeichnen lassen. Auch hier bestätigte das Amtsgericht München die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung (Urteil vom 28.11.2014, Az. 474 C 18543/14).

Praxistipp zur Kündigung wegen Störung des Hausfriedens


Bei strafbaren Handlungen wie Beleidigung, Sachbeschädigung, Bedrohung oder Körperverletzung ist eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung meist erlaubt. Mieter, die unzumutbaren Belästigungen durch Nachbarn ausgesetzt sind, können sich ebenso wie betroffene Vermieter bei einem Fachanwalt für Mietrecht über das beste Vorgehen gegen eine Störung des Hausfriedens beraten lassen. Wichtig ist es, Beweise für die entsprechenden Vorkommnisse zu sammeln.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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