Pleite durch mangelnde Regulierung der Krankentagegeldversicherung

12.02.2015, Autor: Herr Hans-Berndt Ziegler / Lesedauer ca. 3 Min. (560 mal gelesen)
Eine längere Arbeitsunfähigkeit hat häufig einen erheblichen Verdienstausfall zur Folge. Sinn und Zweck des Krankentagegeldes ist es, den Verdienstausfall bei Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall auszugleichen.

Die Krankentagegeldversicherung sichert das Einkommen und damit den Lebensstandard bei längerer Arbeitsunfähigkeit. Für die Versicherer ist dies meist eine teure Angelegenheit. Die Versicherer versuchen daher das Versicherungsverhältnis zu beenden, indem Sie auf die Versicherungsbedingungen verweisen, die festlegen, dass die Krankentagegeldversicherung endet, wenn Berufsunfähigkeit eintritt. Die Berufsunfähigkeit wird in den Verträgen oftmals älteren Datums wie folgt definiert:

„Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauerhaft außer Stande ist, seinen Beruf, wie er vor Eintritt der Krankheit, Körperverletzung oder des Kräfteverfalles beschaffen war, auszuüben.“

Bei längeren Erkrankungen holen die Versicherer Gutachten ein, die dem Versicherungsnehmer attestieren, dass er dauerhaft außerstande ist, seinen Beruf auszuüben. Die Versicherer erhalten nahezu ausschließlich das gewünschte Ergebnis nach erfolgter Begutachtung. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Nachdem die Versicherer die „gewünschten“ Ergebnisse erhalten werden die Zahlungen, die dem Lebensunterhalt des Versicherten dienen abrupt eingestellt.

Der Verweis auf eine oftmals beim gleichen Versicherer angebotene Berufsunfähigkeitsversicherung greift zu kurz. Der Versicherte soll im Versicherungsfall einen gewissen materiellen Ausgleich erhalten. Der Berufsunfähigkeitsvorsorge kommt lediglich Versorgungscharakter zu, denn sie dient der Gefahrenabwehr für die Familien- und Altersversorgung. Die Berufsunfähigkeit dient jedoch nicht der Schadenskompensation, denn im Gegensatz zu den Schadenversicherungen handelt es sich um eine Summenversicherung, der die Vereinbarung zugrunde liegt, eine exakt definierte (wiederkehrende) Leistung zu erbringen, nicht jedoch den tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Schaden zu begleichen. Sie dient damit nicht der Sicherung des Lebensstandards und selbst wenn beim gleichen Versicherer sowohl ein Krankentagegeldversicherungsvertrag als auch Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag abgeschlossen wurde, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass im Falle der der klauselbedingten Beendigung der Krankentagegeldversicherung auch automatisch die Berufsunfähigkeitsversicherung eintritt.

Besonders Problematisch wirkt sich das dargestellte mangelhafte Regulierungsverhalten bei selbstständigen, hochspezialisierten Ein-Mann Betrieben aus. Das mangelhafte Regulierungsverhalten kann zur Liquidation und Geschäftsaufgabe führen.

Unsere Kanzlei bearbeitete einen Fall (Landgericht Landau Az 4 O 257/08), indem ein selbstständiger Software- Berater eines namenhaften Herstellers aufgrund des mangelhaften Regulierungsverhaltens zur Liquidation seiner Ein-Mann GmbH gezwungen war. Das Geschäft des Mandanten lebte von aktuellen Referenzen. Nach einem längeren Zeitraum der Abwesenheit vom Markt, hätte unser Mandant nur Fuß fassen können, wenn er umfangreiche und teure Schulungen anstelle von aktuellen Referenzen nachweisen könnte. Insbesondere in der IT-Branche stellt eine Abwesenheit vom Markt über einen Zeitraum von zwei Jahren und länger eine halbe Ewigkeit dar.

Unser Mandant klagte daher unter der Begründung, dass er nicht berufsunfähig, sondern lediglich arbeitsunfähig gewesen sei, Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung ein. Daneben machten wir aber noch Mangelfolgeschäden durch Verdienstausfälle, Schulungskosten und weitere Schadenspositionen geltend, die mit der Liquidation seines Geschäfts verbunden waren. Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten bestätigte, dass unser Mandant lediglich arbeits- und nicht berufsunfähig im Sinne der vorangestellten Definition gewesen war.

Die Pflichtverletzung des Versicherers lag im betreuten Mandat darin, dass der Versicherer, wie sich durch das gerichtlich eingeholte Gutachten bestätigte, nicht leistete, obgleich er zur Leistung verpflichtet war. Hieraus resultierten sämtliche bereits bezeichneten Mangelfolgeschäden unseres Mandanten. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass sich der Versicherer alleine dadurch exculpieren könne, indem er überhaupt bereits ein Gutachten einholte auf dem die Entscheidung basierte.

Diese Rechtsauffassung ist im Ergebnis abzulehnen, da die Versicherer durch diese Interpretation keinen langwierigen Prozess fürchten müssen, während es bei den Versicherten selbst um die nackte Existenz geht. Wenn der Versicherer sich auf ein im Vorfeld eingeholtes Gutachten verlässt, dann muss er auch dafür einstehen, dass das von ihm eingeholte Gutachten vor Gericht Bestand hat. Ansonsten bleibt es bei der Devise, dass der Versicherer im Zweifel nicht reguliert. Das Risiko wird somit einseitig auf die Schultern der Versicherten gelegt und Sinn und Zweck der Krankentagegeldversicherung ad absurdum geführt.

Das Gericht erkannte jedoch, dass in höherer Instanz diese Rechtsauffassung gegebenenfalls nicht geteilt werden könne. Auch der Versicherer selbst erkannte das Bedrohungsszenario, welches sich hinter der von uns vertretenen Rechtsauffassung verbarg. Im Ergebnis führte dies dazu, dass das Gericht einen Vergleichsvorschlag präsentierte, der mit einer Summe von 70.000,00 € über den bloß vertraglich geschuldeten Versicherungsleistungen lag. Für den Mandanten konnte somit trotz gegenteiliger Auffassung des Gerichts die ansehnliche Vergleichssumme von 200.000,00 € erstritten werden.

Frobel, Rechtsanwalt