Unterschiede bei der Besteuerung der Abfindung für den Verzicht auf den Pflichtteil

10.10.2017, Autor: Herr Anton Bernhard Hilbert / Lesedauer ca. 3 Min. (231 mal gelesen)
Es gibt viele Versuche, den ungeliebten Pflichtteil zu beseitigen oder zu reduzieren. Kaum ist das gelungen, kann sich das nächste Problem ergeben: die Besteuerung der Abfindung. Hier kann es erhebliche Unterschiede geben, je nachdem, ob es sich – nach dem Tod des Erblassers – um einen bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch oder – zu Lebzeiten des Erblassers – um einen künftigen Pflichtteil handelt.

Beispielsfall

Legen wir unserer Betrachtung eine einfache Fallgestaltung zu Grunde:

Die verwitwete Mutter hat zwei Söhne. Sie setzt in ihrem Testament ihren Lieblingssohn zum Alleinerben ein und enterbt damit ihren zweiten Sohn. Dem hat sie allerdings 4 Jahre vor ihrem Tod schon 200.000 € geschenkt. Ihr Vermögen, der Nachlass, beläuft sich auf 1,6 Millionen €.

 

Situation nach dem Tod der Mutter

Die Mutter stirbt.

Der zurückgesetzte Sohn macht gegen seinen Bruder den Pflichtteil geltend: Zahlung von 400.000 €. Denn der Pflichtteil ist ein Zahlungsanspruch, dessen Höhe sich nach dem hälftigen Wert des gesetzlichen Erbteils richtet, § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB. Der gesetzliche Erbteil beträgt ½, der Pflichtteil somit ¼ des Nachlasswertes von 1,6 Millionen €.

Die Geschwister einigen sich gütlich. Der Alleinerbe zahlt danach zwar nicht den vereinbarten Betrag, aber er übereignet seinem Bruder sein Hausgrundstück im Wert von 400.000 € und zieht in die Villa der Mutter. Damit ist der Pflichtteilsanspruch vereinbarungsgemäß abgegolten.

In diesem Fall behandelt das Erbschaftsteuergesetz die Zuwendung des Grundstücks als eine Zuwendung der Mutter, § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.

Das hat große Vorteile. Anzuwenden ist die Steuerklasse I, die für Kinder gilt, nicht die Steuerklasse II, die der Besteuerung bei Geschwistern zu Grunde zu legen ist, § 15 Abs. 1 ErbStG. Konsequenterweise beträgt der Freibetrag 400.000 €, § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Es wird also keine Steuer fällig.

Allerdings prüft das Finanzamt, ob innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren vor Schenkungen erfolgt sind. Ist das der Fall, rechnete das Finanzamt den Wert der vor Schenkungen dem Wert der Abfindung hinzu. Das sind hier 200.000 €. Mit dem Gesamtbetrag von (400.000 € + 200.000 € =) 600.000 € ist der Freibetrag von 400.000 € überschritten, so dass der darüber hinaus gehende Betrag von 200.000 € zu versteuern ist.

Bei Steuerklasse I und einem Steuersatz von 11 % ergibt dies eine Gesamtsteuerbelastung von 22.000 €.

 

Regelung zu Lebzeiten der Mutter

Die Mutter ist dement und nicht mehr geschäftsfähig. Ihr Tod ist abzusehen.

Die Söhne wollen mit der Regelung des Pflichtteils jedoch nicht abwarten. Sie schließen einen notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag, wonach der künftige Erbe dem Bruder sein Grundstück im Wert von 400.000 € übereigent und der im Gegenzug dafür auf die Geltendmachung seines künftigen Pflichtteils verzichtet.

In diesem Fall stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung des (künftigen) Erben an seinen Bruder im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Danach gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der bedachte durch sie auf Kosten des zuwendenden bereichert ist.

Da die Abfindung aus dem Vermögen des Bruders bezahlt wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem vor und nicht eine freigebige Zuwendung der Mutter.

Trotz dieser Annahme hat die Rechtsprechung bisher die Steuerklasse nicht nach dem Verhältnis zwischen den Brüdern (Steuerklasse II) angewendet, sondern die Steuerklasse nach dem Verhältnis zum künftigen Erblasser, hier also der Mutter (Steuerklasse I). An dieser steuerzahlerfreundlichen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof in drei Entscheidungen im Zeitraum von 1977-2013 festgehalten.

Jetzt verwirft der Bundesfinanzhof diese Rechtsprechung (Urteil vom 10.05.2017 – IIR 25/15). Eine steuerrechtliche Gleichbehandlung des vor und nach dem Erbfall erklärten Verzichts auf Pflichtteilsansprüche gegenüber den Erben sei nicht möglich, so das Gericht, und führt dafür Beispiele an.

Die Rechtsprechungsänderung hat gravierende Konsequenzen.

Anzuwenden ist jetzt auf die Pflichtteilsabfindung im Wert von 400.000 € die Steuerklasse II bei einem Freibetrag von lediglich 20.000 € und einem Steuersatz von 25 %.

Der zurückgesetzte Bruder muss also den Erwerb des Grundstücks im Wert von 400.000 € versteuern. Nach Abzug des Freibetrags von 20.000 € sind der Versteuerung 380.000 € zu Grunde zu legen. Es wird Schenkungssteuer fällig i.H.v. 95.000 € (25 % von 380.000 €).

Praktisch ¼ des Erwerbs geht in unserem Beispielsfall an den Staat. Zumindest aber wird in diesem Fall konsequenterweise der vor Erwerb von 200.000 € nicht dazu gerechnet, weil der nicht vom Bruder stammt, sondern von der Mutter.

Dennoch macht in unserem Beispielsfall der Unterschied immerhin einen Betrag von 73.000 € aus, ist die Steuerbelastung derartig hoch, dass der zurückgesetzte Bruder möglicherweise das ihm zugewendete Grundstück gleich wieder verkaufen muss, um die Erbschaftssteuer bedienen zu können.

Hier gilt die dringende Empfehlung: Treffen Sie Abfindungsregelungen nur nach vorheriger Beratung.