Aktuelles Urteil des EuGH zum „Kaskadenverweis“ in Darlehensverträgen

27.03.2020, Autor: Herr Guido Lenné / Lesedauer ca. 3 Min. (375 mal gelesen)
Ganz aktuell am 26.03.2020 stärkte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit seinem Urteil zu den sogenannten „Kaskadenverweisen“ in Darlehensverträgen, entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die Rechte von Verbrauchern.

Die Rechtsprechung des BGH zum sog. „Kaskadenverweis“ in Darlehensverträgen wurde häufig von Verbraucherrechtsanwälten kritisiert. Nun wurde die BGH-Rechtsprechung vom EuGH aufgehoben.

Was sich hinter dem sogenannten Kaskadenverweise verbirgt

Darlehensverträge, die nach dem 10.06.2010 abgeschlossenen wurden, enthalten die folgende Formulierung:

„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

Das bedeutet, dass die Widerrufsfrist erst beginnt, wenn der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat. Allerdings sind in § 492 Abs. 2 BGB keinerlei Pflichtangaben zu finden. Stattdessen verweist § 492 Abs. 2 BGB auf ein weiteres Gesetz: das „Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)“. Um die Pflichtangaben zu bestimmen, muss sich der Verbraucher also mit weiteren Verweisen im EGBGB auseinandersetzen.

Die Rechtsprechung des BGH

Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass dem Verbraucher durchaus zuzumuten sei, die Pflichtangaben für den Beginn der Widerrufsfrist anhand dieses Kaskadenverweises zu bestimmen:

„a) Die Wendung in einem Verbraucherdarlehensvertrag, die Widerrufsfrist beginne ‚nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat‘, informiert für sich klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist. 

b) Erläutert der Darlehensgeber den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB mittels in Klammern gesetzter Beispiele für Pflichtangaben, informiert er den Darlehensnehmer klar und verständlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist, wenn es sich bei den von ihm genannten Beispielen um auf den Vertragstyp anwendbare Pflichtangaben im Sinne des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche handelt.“ (BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15)

EuGH hebt BGH-Rechtsprechung auf

Das LG Saarbrücken hat die Auffassung des BGH nicht geteilt und legte diese dem EuGH vor. Der EuGH schloss sich der Meinung des LG Saarbrücken nun an:

„Wie sich aus Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 ergibt, beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn dem Verbraucher die Informationen gemäß Art. 10 dieser Richtlinie übermittelt wurden, sofern der betreffende Zeitpunkt nach dem Tag des Abschlusses des Kreditvertrags liegt. Besagter Art. 10 zählt die Informationen auf, die in Kreditverträgen anzugeben sind. 

Verweist aber ein Verbrauchervertrag hinsichtlich der Informationen, die nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 anzugeben sind, auf bestimmte Vorschriften des nationalen Rechts, so kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat.“ (EuGH, Urteil vom 26.03.2020 – C 66/19)

So reiche es nach Auffassung des EuGH nicht aus, den Verbraucher auf die Vorschriften des nationalen Rechts zu verweisen, sodass dieser nicht in der Lage sei, allein anhand des Vertrags die Widerrufsfrist klar zu bestimmen.

Konsequenzen des EuGH-Urteils für Verbraucher

Aufbauend auf der Rechtsprechung des EuGH können nun Verbraucher ihre Willenserklärungen widerrufen. Das betrifft nicht nur Immobiliardarlehensverträge, sondern auch Autofinanzierungen. Aufgrund dieses aktuellen Urteils rechnen wir in der Anwaltskanzlei Lenné nun mit einer erhöhten Vergleichsbereitschaft seitens der Banken.

Haben auch Sie in Ihrem Darlehensvertrag die o. g. Fehler festgestellt? Dann sollten Sie sich diesbezüglich umgehend von einem Fachanwalt beraten lassen. Rechtsschutzversicherungen übernehmen unserer Erfahrung nach regelmäßig die Anwalts- bzw. Gerichtskosten. Für eine Prüfung Ihres Vertrags stehen wir Ihnen gerne im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung zur Verfügung.


Autor dieses Rechtstipps

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