Das "ewige Widerrufsrecht" – gibt es das noch?

26.01.2017, Autor: Herr Guido Lenné / Lesedauer ca. 4 Min. (215 mal gelesen)
Die Banken haben gute Lobbyarbeit geleistet. Der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht für Immobiliardarlehensverträge zum 21.06.2016 befristet. Durch die zahlreichen Presseberichte hierzu ist teilweise der falsche Eindruck entstanden, dass es nun kein "ewiges Widerrufsrecht" mehr gibt.

Die Banken haben gute Lobbyarbeit geleistet. Der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht für Immobiliardarlehensverträge zum 21.06.2016 befristet. Durch die zahlreichen Presseberichte hierzu ist teilweise der falsche Eindruck entstanden, dass es nun kein "ewiges Widerrufsrecht" mehr gibt.

Die Frist 21.06. gilt allerdings nur für solche Immobiliardarlehensverträge, die in dem Zeitraum vom 01.11.2002 bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden. Für die ab dem 11.06.2010 abgeschlossenen Darlehensverträge ist es dagegen bei dem "ewigen Widerrufsrecht" geblieben, wenn die Banken die Verbraucher über das Widerrufsrecht  nicht ordnungsgemäß belehrt haben.

Sind die seit dem 10.06.2010 erteilten Widerrufsinformationen fehlerhaft?

Zum 11.06.2010 hat das Widerrufsrecht grundlegende Änderungen erfahren. Die Widerrufsbelehrung hieß dann Widerrufsinformation. Die Widerrufsfrist begann nicht mehr nach Erhalt der Widerrufsbelehrung zu laufen, sondern nach Erhalt der sogenannten Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F., die in dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) näher bezeichnet sind.

Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Banken aus ihren früheren Fehlern gelernt haben und die Widerrufsinformationen richtig gestaltet haben. In der Praxis stellen wir allerdings genau das Gegenteil fest. Immer mehr Gerichte folgen unserer Rechtsauffassung, dass auch die Widerrufsinformationen fehlerhaft erteil wurden. Vor allem hat wieder der Gesetzgeber die Fehlerhaftigkeit ausgelöst, indem er den Banken fehlerhafte Musterwiderrufsinformationen zur Verfügug gestellt hat.

Alle Widerrufsinformationen sind bereits fehlerhaft, weil die fristauslösenden Pflichtangaben nur teilweise bzw. beispielhaft genannt wurden, obwohl die Widerrufsfrist nach Erahlt aller Pflichtangaben zu laufen beginnt. So lautet die gesetzgeberische Musterwiderrufsinformation hierzu:

"Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat."

Der Verbraucher bleibt also im Unklaren welche weiteren Pflichtangaben erforderlich sind, mit deren Empfang die Widerrufsfrist in Gang gesetzt wird. Diese Auffassung vertreten bereits das OLG München, Urteil vom 21.05.2015 – 17 U 334/15 und das OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 02.12.2015 – 3 U 108/15. Im August 2016 hat sich auch das OLG Nürnberg der Rechtsauffassung des OLG München und des OLG Celle angeschlossen:

"(a) Die dem Verbraucher mitgeteilte Information, die Frist beginne nach Abschluss des Vertrags, aber erst nach Erhalt aller Pflichtangaben nach § 492 II BGB, ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn verlässlich und mit zumutbarem Zeitaufwand zu ermitteln. Denn ihm wird – von den beispielhaft genannten drei Pflichtangaben abgesehen – nicht aufgezeigt, wie viele und welche Pflichtangaben auf seinen konkreten Vertrag bezogen existieren und welche weiteren Pflichtangaben er ggf. noch erhalten muss. Damit ist nicht klar, wann die Frist zum Widerruf beginnt." (OLG Nürnberg, Urteil vom 01.08.2016 – 14 U 1780/15)

Bereits aus diesem Grund dütften alle Darlehensverträge seit dem 11.06.2010 angreifbar sein.

Sehr oft haben die Banken und insbesondere auch Sparkassen das Muster des Gesetzgebers wie folgt geändert:

"Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat."

Bei Immobiliardarlehensverträgen ist beispielweise die Angabe zur Aufsichtsbehörde gemäß Art. 247 § 9 EGBGB keine Pflichtangabe. Das heißt, dass die Banken im Hinblick auf den Widerrufsfristbeginn über eine Angabe belehrt haben, die überhaupt nicht fristauslösend ist. Diese Rechtsauffassung vertritt das OLG Celle und das LG Nürnberg-Fürth sowie auch nunmehr das bislang sonst eher bankenfreundliche OLG Köln:

"Die streitgegenständliche Widerrufsinformation könnte aber deshalb inhaltlichen Bedenken begegnen, weil bei einem Immobiliardarlehensvertrag (§ 503 BGB) die Angabe der Aufsichtsbehörde nicht zu den Pflichtangaben gehört. Dies folgt aus Art. 247 § 9 EGBGB, wonach bei Immobiliardarlehensverträgen in den vorvertraglichen Informationen und im Verbraucherdarlehensvertrag abweichend von den Angaben nach Art. 247 §§ 3 bis 8 und 13 die Angaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10, 13 sowie nach § 3 Abs. 4 und § 8 zwingend sind. Art. 247 § 6 Abs.1 Nr. 3 EGBGB, der die Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde regelt, findet damit keine Anwendung. Damit ist die streitgegenständliche Widerrufsinformation möglicherweise nicht geiegnet, den Verbraucher zutreffend über den Beginn der Widerrufsfrist zu belehren, da abweichend von der gesetzlichen Regelung in der Widerrufsinformation bei der beispielhaften Aufzählung der Pflichtangaben, die für den Fristlauf erfüllt sein müssen, die Nennung der Aufsichtsbehörde aufgeführt ist." (OLG Köln, Verfügung vom 22.06.2016 – 13 U 162/16)

Vor diesem Hintergrund gehen wir derzeit davon aus, dass die nach dem 11.06.2010 abgeschlossenen Darlehensverträge auch heute noch widerrufbar sein dürften.

Mit dem Widerruf stehen Ihnen Zinsen (Nutzungsersatz) in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für alle bereits erbrachten Raten und Sondertilgungen zu. Mit dem Abschluss eines günsigeren Anschlussdarlehensvertrages ersparen Sie zusätzlich Zinsen für die Zukunft.

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Autor dieses Rechtstipps

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