MS Deutschland: Traumschiffanleihe ohne Traumrendite

23.03.2015, Autor: Herr Hartmut Göddecke / Lesedauer ca. 5 Min. (493 mal gelesen)
Finanziell leck geschlagen hat das auf den Ozeanen als Traumschiff bekannte Geldanlagemodel im Sommer 2014. Hier eine aktuelle Positionsbestimmung mit Rückblick auf das Marktsegmentsegmente Mittelstandsanleihen und der Ausblick für Geldanleger.

Der Markt für Mittelstandsanleihen bietet nicht nur Chancen

 

Das Segment der Mittelstandsanleihen wurde im Jahre 2010 von der Stuttgarter Wertpapierbörse ins Leben gerufen, um auch kleinen und mittleren Unternehmen Zugang zum Kapitalmarkt zu gewähren und so eine neue Form der Unternehmensfinanzierung zu etablieren. Die anfängliche Euphorie unter den Anlegern ist der Erkenntnis gewichen, dass der Begriff des Mittelstandes in Bezug auf Anleihen nicht unbedingt als Synonym für Qualität, sprich Anlagesicherheit und hohe Rendite, zu verstehen ist.

 

Nicht zuletzt aus diesem Grund unterzieht die Börse Düsseldorf den Primärmarkt einer umfassenden Umstrukturierung, an deren Ende das Wort mit M nicht mehr verwendet werden soll. Beispielhaft für diese Entwicklung steht auch die zunächst im Frankfurter Entry Standard und inzwischen im Open Market notierte Anleihe der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft mbH.

 

Anleger waren überzeugt

 

Bei der Emission der Anleihe im Dezember 2012 musste das Orderbuch vorzeitig geschlossen werden, da die Vollplatzierung von 60 Mio. Euro binnen weniger Stunden gelang. Somit konnte die Anleihe knapp zwei Wochen früher als geplant in den Entry Standard aufgenommen werden.

 

Ausschlaggebend dafür war neben einer versprochenen Verzinsung von 6,785 % pro Jahr sicherlich auch das ungewöhnlich positive Erstrating der Agentur Scope, welche der Anleihe die Note „A“ verlieh. Dem nicht genug, wurde die Anleihe – ausweislich des Wertpapierprospekts – auch mit einer Schiffshypothek besichert, an der sich die Anleger im schlimmsten Fall schadlos halten könnten. Der Wert des Schiffes wurde dort mit 77 Mio. Euro angegeben, mithin deutlich höher als das Anleihevolumen. Schließlich dürfte so mancher Anleger eben auch die Prominenz der MS Deutschland, die seit 1999 das ZDF Traumschiff ist, als Qualitätsmerkmal gesehen haben wollen.

 

Upper Medium grade gerechtfertigt?

 

Bereits zum Zeitpunkt der Emission wurde das angesprochene Rating von vielen Beobachtern ungläubig bestaunt. Die Anleihe der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft mbH wies damit die beste Benotung im Segment der Mini Bonds überhaupt auf, was der bereits damals bekannten Lage des Unternehmens jedoch in keinster Weise entsprach. So war nicht nur der Agentur Scope bekannt, dass die Ertragslage der Gesellschaft alles andere als positiv zu bewerten war, was in besagtem Rating sogar angedeutet wird.

 

Die Auslastung der MS Deutschland in der Zeit von Januar bis September 2012 betrug lediglich 67,4 % und somit deutlich weniger als im Jahr 2008, in dem noch 80 % erreicht werden konnten. Zudem wiesen die Geschäftsjahre 2011 und 2012 einen Fehlbetrag in Millionenhöhe auf und das Eigenkapital des Unternehmens befand sich im negativen Bereich, was mit angestrebter Steuerersparnis begründet wurde. In dieses Bild fügte sich auch der Streit um den kostensenkenden Flaggenwechsel ein, an dessen Ende der langjährige Kapitän freigestellt wurde und der ohne Not wohl kaum hätte in Betracht gezogen werden müssen. Auch die Mittelverwendung warf bereits zum Zeitpunkt der Emission Fragen auf. Nach Aussagen der Aurelius AG, ein Private-Equity-Unternehmen und damaliger Mehrheitseigentümer der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft mbH, sollten die Einnahmen Ausschließlich zur Umstrukturierung von Verbindlichkeiten verwendet werden.

 

Erst sinkt das Rating …

 

Bereits vor der ersten Zinszahlung im Dezember 2013 musste die Agentur Scope das Erstrating unter anderem aufgrund des zu erwartenden, verfehlten Gewinnziels für das Geschäftsjahr um vier Notches auf „BBB-“ korrigieren. Das Management hatte ein EBITDA von 7,5 Mio. Euro erwartet, erreicht werden konnten schließlich 3,2 Mio. Euro. Den ersten Kupon in Höhe von 3,4 Mio. Euro konnte die Emittentin dann auch nicht selbst stemmen, sondern war auf Kredite der Aurelius AG angewiesen, was wiederum die Schuldenlast nochmals erhöhte. Ebenfalls Ende 2013 zog Scope sein Anleiherating aufgrund mangelnden Informationsstands komplett zurück, was zu einem zwischenzeitlichen Kurseinbruch der Anleihe auf unter 50 % führte.

 

Das Jahr 2014 begann mit einer weiteren Wende bei der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft mbH, als bekannt wurde, dass die Aurelius AG ihren Mehrheitsanteil im Januar an den PE-Investor Callista veräußert hatte. Dieser bemühte sich nun um eine neue Ratingagentur, welche er mit der FERI EuroRating Services AG – die bereits im Fall des Elektrohändlers Penell eine Rolle spielt – auch fand. An der Lage der Gesellschaft änderte dieser Schritt jedoch nichts, im April 2014 wurde der Bond mit „BB-“ bewertet. Jedoch erfüllte man nun wieder die Anforderungen des Entry Standards.

 

… dann die Umsätze

 

Im Juli 2014 mussten die Umsatzziele für das laufende Jahr erneut nach unten korrigiert werden, was zu einer weiteren Abstufung der Anleihe auf „B-“ und mithin in den hochspekulativen Bereich führte. Schließlich stellte Callista Ende Oktober 2014 den Insolvenzantrag und gab bekannt, dass für notwendige Modernisierungen, insbesondere für den anstehenden Schiffs-TÜV, kein Geld vorhanden sei.

 

Eine geplante Weltreise der MS Deutschland musste abgesagt werden und ein Käufer für das Schiff ist offenbar nicht in Sicht. Das Insolvenzverfahren wurde am 01. Januar 2015 eröffnet, gleichzeitig wurde die Einbeziehung der Anleihe in den Entry Standard gekündigt. Der Kurs hat sich mittlerweile bei unter 20 % eingependelt.

 

Fragwürdige Angaben im Wertpapierprospekt

 

Vorliegend ist nun der Worst Case eingetreten, in dem sich für die rund 1500 Anleger zuerst die Frage nach den versprochenen Sicherheiten stellt. Der Wert des Schiffes, der im Wertpapierprospekt noch mit 77 Mio. Euro angegeben wurde, wurde bereits seinerzeit bezweifelt, zumal ein Verkauf unter Druck erheblich schwieriger sein dürfte. Unter Verwendung des wohlklingenden Namens des bekannten Traumschiffs, wurden diese Bedenken allem Anschein nach verdrängt.

 

Der Insolvenzverwalter Reinhold Schmid-Sperber gab nun bekannt, dass das damalige Gutachten, dass den im Prospekt angegeben Verkehrswert belegen soll, aus mehr oder weniger einer Seite besteht. Wie ein so kurzes Schriftstück, ein so großes Schiff in allen Aspekten beleuchten soll, bleibt fraglich. Darüber hinaus scheinen die Zweifel an dem angegebenen Wert durchaus berechtigt gewesen zu sein. Nach Angaben von Schiffsmaklern, lassen sich für die MS Deutschland momentan lediglich acht bis dreizehn Millionen Euro erzielen. Nach den angesprochenen Modernisierungen dürfte sich dieser Wert zwar erhöhen, mit geschätzten maximal 30 Mio. Euro aber immer noch deutlich unter dem versprochenen Betrag liegen. Dem nicht genug, verkündete der Insolvenzverwalter bereits im November 2014, dass die Schiffshypothek offenbar unwirksam ist, da Forderung und Sicherheit nicht in einer Hand liegen.

 

Bislang hat Schmid-Sperber offenbar mit 30 Kaufinteressenten für das Schiff verhandelt, konkrete Ergebnisse sind jedoch bislang nicht bekannt. Nach eigener Aussage scheint aber bereits klar zu sein, dass auch der Verkauf des Schiffes nicht ausreichen wird um alle Forderungen zu bedienen. Die Anleihe der MS Deutschland ist damit beispielhaft für das gesamte Segment.

 

Den Anlegern wurde ein prominentes und positiv besetztes Produkt geboten, die Lage der dahinterstehenden Beteiligungsgesellschaft sowie die dann folgende Mittelverwendung aber ausgeblendet. Eine vermeintliche Anleihensicherheit, die im Ernstfall nur noch ein Bruchteil wert ist und zu allem Überfluss offenbar gar nicht wirksam bestellt wurde, rundet das Bild ab.



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