Cross Border Leasing: Risiken bei Cross Border Leasing Verträgen

22.05.2009, Autor: Herr Hartmut Göddecke / Lesedauer ca. 3 Min. (3093 mal gelesen)
Cross Border Leasing galt als Zauberformel für Stadtkämmerer, um Kassen finanzschwacher Kommunen aufzufüllen. Die Kehrseite der an die Kommunen gezahlten Prämie, dem sog. Barwertvorteil, stellt nicht nur die lange vertragliche Bindung der Kommune, sondern insbesondere erhebliche Risiken bei derartigen Geschäften dar. Brisant daran ist, dass die meisten Risiken außerhalb des Einflussbereiches der Kommune liegen.

Man stelle sich eine Schuldnerberatung vor, bei der der Hilfesuchende erklärt, er habe mehrere Millionen Schulden aus dem Grund, dass er einen komplizierten Vertrag unterschrieben hat, den er gar nicht verstanden und im englischen Original nicht gelesen hat. Man würde sich fragen, wieso der Ratsuchende so ein Geschäft eingehen konnte. Ähnlich haben sich zuletzt die Kommunen beim Abschluss von Cross Border Leasing – Geschäften verhalten, mit dem Unterschied, dass es nicht um ihr eigenes Geld ging.

Beim Cross Border Leasing vermietet eine Kommune eine Vorrichtung der Daseinvorsorge über einen langen Zeitraum an eine Treuhandgesellschaft, einen amerikanischen Trust. Dieser ist von einem Investor, regelmäßig eine Bank oder eine Versicherung, eingerichtet worden.

Auf Kritik stoßen Cross Border Leasing – Geschäfte schon seit geraumer Zeit. Hinterfragt werden nicht nur die oft tausendseitigen und bis zu zehn Aktenordnern umfassenden Verträge, die regelmäßig fast ausschließlich in Englisch abgefasst sind, sodass eine selbständige Risikoanalyse praktisch unmöglich ist, sondern auch der ausschließliche Gerichtsstand in den Vereinigten Staaten. Meistens liegt er in New York, da solche Verträge auch dann gültig bleiben, wenn sie gegen US-Bundesrecht verstoßen. Allerdings können Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung bestehen. Mithin besteht ein hohes Prozesskostenrisiko für Verfahren in Amerika.

Weiterhin ist auch ohne die aktuelle Finanzkrise nicht nur die Anbahnung, sondern auch die Betreuung eines solchen Leasinggeschäftes (kosten-) intensiv. Jährlich sind beispielsweise Berichte für den Trust auf Englisch zu erstellen, außerdem ist die Bonität der Schuldübernahmebank fortwährend zu überwachen. Vom Umfang her ist demzufolge beinahe ein eigenes Amt für Leasing bei den beteiligten Kommunen erforderlich.

Vor allem besteht eine erhebliche Haftungsgefahr, die i.d.R. einseitig zu Lasten der Kommunen geht. Die finanziellen Risiken der Kommunen können bis zum Vierfachen des Netto-Barwertvorteils gehen. Obwohl die Kommunen zwar auf die Gefahren von Zuzahlungen hingewiesen worden sind, fehlt es an einer genauen Bezifferung der Größenordnung der möglichen Haftung für Vertragspflichtverletzungen.

Auf Kritik stößt namentlich das Betreiberrisiko. Die Kommune ist verpflichtet, die Anlage während der gesamten Rückmietzeit tatsächlich zu betreiben. Nachweispflichtig für das tatsächliche Betreiben ist der US-Investor den dortigen Steuerbehörden, bei Pflichtverletzungen der Kommune macht sich diese schadensersatzpflichtig. Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sein kann auch die Regelung, wonach die Kommune nicht nur verpflichtet ist, die öffentliche Einrichtung während der gesamten Rückmietzeit zu betreiben, sondern sie auch in einem wertgleichen Zustand zu erhalten. Die Vornahme wertverändernder Maßnahmen bei der verleasten Sache ist untersagt. So müsste eine Stadt sogar Anwälte in den USA um Erlaubnis fragen, wenn sie bloß ihre Abwasserrohre erneuern will. Ändert sich indessen in der Praxis der Wert einer Einrichtung, trägt einzig die Kommune das finanzielle Risiko dieses Wertverlustes.

Wird die Transaktion aus von der Kommune zu vertretenen Gründen aufgelöst, hat die Stadt im Falle einer vorzeitigen Kündigung Entschädigungsleistungen zu erbringen, sodass das ehemals lukrative Geschäft zu einem Millionenverlust wird.

Ein weiteres Risiko, das im Zusammenhang mit einer Cross Border Leasing – Transaktion zu sehen ist, besteht in einem etwaigen Interessenkonflikt der Banken. In der Regel sind sie es, die die Kosten der involvierten Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie das Risiko des Scheiterns des Geschäftes tragen. Ihre Vergütung ist erfolgsabhängig und richtet sich prozentual nach dem Barwertvorteil der Kommune. Daher besteht eine gewisse eigennützige Motivation der Bank, das Geschäft abzuschließen und möglicherweise nicht umfassend über vorhandenen Risiken aufzuklären, obwohl es im Einzelfall angezeigt gewesen wäre, von dem riskanten Geschäft abzuraten.

Bei Nichtoffenlegung von Interessenkonflikten haben sich die Banken unter dem Gesichtspunkt der anlegergerechten Beratung angreifbar gemacht, da eine Beratung in dem Fall kaum unvoreingenommen sein dürfte. Die Rechtsprechung hat die Interessenkonflikte ebenfalls gesehen und zumindest darauf gedrungen, in dem Beratungsgespräch den potentiellen Konflikt offen zu legen. Anderenfalls besteht eine rechtswidrige Pflichtverletzung der Bank.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Benennung der Risiken ist, dass sie in den meisten Fällen zwar genannt, aber nicht selten als „vernachlässigbar“ bewertet wurden, obwohl jeder Berater seine Pflichten sorgfältig (§ 267 Abs. 2 BGB) und im Mandanteninteresse zu erbringen hat. Das bedeutet eine unzulässige Relativierung von Risiken. Fragwürdig können auch Risikobewertungen wie „theoretisch“, „kontrollierbar“ oder „beherrschbar“ sein, da letztere den (falschen) Eindruck vermitteln können, dass die Kommune selbst Einfluss auf die potentiellen Risiken nehmen kann.

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