Wie hoch ist der gesetzliche Mindestlohn und wer bekommt ihn?

28.12.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 7 Min. (1385 mal gelesen)
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Das Wichtigste in Kürze

1. Begriff: Der Mindestlohn ist ein gesetzlich festgelegter Stundenlohn, der als unterste Grenze für die Bezahlung von Arbeitnehmern dient. Er soll sicherstellen, dass diese ein existenzsicherndes Einkommen erhalten.

2. Anpassung und Überprüfung: Die Höhe des Mindestlohns ist nicht statisch, sondern wird regelmäßig überprüft und angepasst, oft in Abhängigkeit von Inflation, Wirtschaftswachstum und anderen Faktoren.

3. Ausnahmen: Nicht alle Arbeitnehmer sind vom Mindestlohn erfasst. Es gibt Ausnahmen z.B. für Pflichtpraktikanten, Auszubildende oder bestimmte Branchen.

4. Strafen: Verstöße gegen das Mindestlohngesetz können für Arbeitgeber zu empfindlichen Strafen führen.
Der im Jahr 2015 eingeführte gesetzliche Mindestlohn gilt seit 1. Januar 2018 in Deutschland in allen Branchen. Tarifverträge, die eine Entlohnung unter dem Mindestlohn vorsehen, sind nicht mehr zulässig. Es gibt jedoch in einigen Branchen (z.B. Baugewerbe und Pflege) Mindestlöhne, die per Tarifvertrag vereinbart werden und die über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen.

Update: Mindestlohn steigt ab 2024 auf 12,41 Euro


Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland steigt zum 1. Januar 2024 um 41 Cent auf 12,41 Euro pro Stunde. Dies schlug Ende Juni die Mindestlohnkommission aus Vertretern der Arbeitgeber und der Gewerkschaften vor. In einem weiteren Schritt soll die Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2025 auf 12,82 Euro angehoben werden. In der Mindestlohnkommission sitzen je drei stimmberechtigte Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, zwei beratende Wissenschaftler und der Vorsitzende, dessen Stimme bei einem Patt entscheidet.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB ist mit den vorgenannten Erhöhungen nicht zufrieden. Nach ihm hätte der Mindestlohn bereits Anfang 2024 zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen.

Wie hat sich der gesetzliche Mindestlohn seit Einführung entwickelt?


Bei der Einführung im Jahr 2015 lag der Mindestlohn bei 8,50 Euro brutto je Stunde. Über mehrere Anpassungen (1. Januar 2017: 8,84 Euro, 1. Januar 2019: 9,19 Euro, 1. Januar 2020: 9,35 Euro, 1. Januar 2021: 9,50 Euro, 1. Juli 2021: 9,60 Euro, 1. Januar 2022: 9,82 Euro, 1. Juli 2022: 10,45 Euro und 1. Oktober 2022: 12,00 Euro) stieg der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro.

Welche Lohnuntergrenzen galten vor dem gesetzlichen Mindestlohn?


Früher richtete sich die Lohnuntergrenze in der Regel nach Tarifverträgen. Diese können (nach wie vor) durch das Bundesarbeits- und Sozialministerium in Abstimmung mit Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dann gelten sie für die jeweilige Branche und bestimmte Bundesländer und beziehen auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit ein. Allerdings führte dieses System nicht zu allgemein anerkannten Lohnuntergrenzen. Es gab deutlichen Bedarf nach einer gesetzlichen Regelung zu Mindestlohn – dies zeigte sich an vielen vor Gericht verhandelten Fällen.

Welche Niedrigstlöhne kamen vor Gericht?


Zum Beispiel beschäftigte der Fall einer Schulbusbegleiterin noch 2014 das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Diese hatte 3,40 Euro pro Stunde bekommen. Das Gericht sah diesen Betrag als sittenwidrigen Hungerlohn an und verurteilte das Busunternehmen zu einer größeren Nachzahlung (Urteil vom 19.8.2014, Az. 8 Sa 764/13). Auch andere Niedrigstlöhne sahen Gerichte als sittenwidrig an. Ein Berliner Jobcenter etwa klagte gegen einen Arbeitgeber, der einer Pizzafahrerin zwischen 2011 und 2014 nur 3,40 Euro pro Stunde bezahlt hatte. Die Mitarbeiterin hatte zusätzlich ALG II zum Aufstocken beziehen müssen, da sie mit ihrem Einkommen nicht auskommen konnte. Hier musste der Chef die Nachzahlung ans Jobcenter leisten – als Ersatz für das zuviel gezahlte Arbeitslosengeld II (LAG Berlin - Brandenburg, Urteil vom 20.4.2016, Az. 15 Sa 2258/15).

Wann kam es zur Einführung des Mindestlohns?


Am 1. Januar 2015 wurde in Deutschland mit dem Mindestlohngesetz ein Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt. Allerdings liefen lange Zeit noch Übergangsfristen, die es bestimmten Branchen erlaubten, darunter zu bleiben – oft noch mit unterschiedlichen Regelungen für alte und neue Bundesländer. Mittlerweile sind Unterschreitungen des Mindestlohns nicht mehr zulässig – in keiner Branche und in keinem Bundesland. In einer ganzen Reihe von Branchen wurden bereits 2016 per Tarifvertrag Mindestlöhne vereinbart, der den gesetzlichen überschritten.

Erhöhung des Mindestlohns 2017


Zum Jahresbeginn 2017 wurde der Mindestlohn erstmals erhöht. Die Mindestlohnkommission hatte sich im Sommer 2016 darauf geeinigt, den Mindestbetrag um 34 Cent anzuheben. Der allgemeine Mindestlohn betrug damit zunächst 8,84 Euro. Die Kommission entscheidet nun alle zwei Jahre neu über die Höhe des Mindestlohns. Die zweistufige Erhöhung zum Jahresbeginn 2019 und 2020 folgt ebenfalls ihrer Empfehlung. Festgelegt wird der Mindestlohn dann durch die sogenannte Mindestlohnverordnung.

Welche Branchen haben einen höheren Mindestlohn?


Allgemein verbindliche Branchenmindestlöhne, die über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, gibt es zum Beispiel im Bauhauptgewerbe. Hier werden je nach Bundesland und Qualifikation zwischen 12,20 und 15,05 Euro gezahlt. Der Mindestlohn für Dachdeckergesellen beträgt seit 1. Januar 2019 13,20 Euro, für Ungelernte 12,20 Euro. Im Elektrohandwerk liegt der Mindestlohn 2019 bei 11,40 Euro, in der Pflegebranche sind es 11,05 Euro in Westdeutschland (inklusive Berlin) und 10,55 Euro in den neuen Bundesländern. Hier gibt es im Januar 2020 eine Erhöhung auf 11,35 Euro (West) und 10,85 Euro (Ost).

Gebäudereiniger: Gleicher Mindestlohn in Ost und West


Seit 1. Dezember 2020 gilt in Ost- und Westdeutschland für Gebäudereiniger der gleiche Mindestlohn (10,80 Euro/Stunde). Nach mehreren Verhandlungsrunden im Tarifstreit konnten sich die Tarifpartner außerdem auf eine stufenweise Erhöhung einigen: Ab Januar 2021 sind es 11,11 Euro pro Stunde in Lohngruppe 1, ab 2022 steigt dieser Betrag dann auf 11,55 Euro und ab 2023 auf zwölf Euro pro Stunde. Außerdem erhalten gelernte Kräfte mehr Lohn.

Wer ist vom Mindestlohn ausgenommen?


Ausgenommen sind generell
- Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung,
- Auszubildende,
- ehrenamtlich Tätige,
- Pflichtpraktikanten in Ausbildung oder Studium,
- freiwillige Praktikanten bei Praktika unter drei Monaten.

Langzeitarbeitslose, die seit mehr als einem Jahr arbeitslos gemeldet sind, haben erst sechs Monate nach der Wiederaufnahme einer Arbeit einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Gelten die Ausnahmen auch für tarifvertragliche Mindestlöhne?


Nein. Die Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn beziehen sich nur auf den tatsächlich vom Gesetzgeber vorgegebenen Mindestlohn. Was die Tarifpartner ausgehandelt haben, gilt also zum Beispiel auch für unter 18-Jährige und frühere Langzeitarbeitslose.

Auswirkungen auf die „Generation Praktikum“


Zwar gilt der Mindestlohn grundsätzlich auch für Praktikanten. Ausgenommen sind aber Praktikanten, die
- ein Pflichtpraktikum nach schul- oder hochschulrechtlichen Bestimmungen oder den Regeln einer gesetzlichen Berufsakademie leisten,
- ein freiwilliges Praktikum für bis zu drei Monate zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder vor Aufnahme eines Studiums machen,
- ein Praktikum für bis zu drei Monate begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht schon vorher ein Praktikumsverhältnis mit demselben Auszubildenden bestanden hat,
- ein gesetzlich geregeltes Praktikum als Einstiegsqualifizierung nach dem Dritten Sozialgesetzbuch oder als Berufsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz machen.
Es darf also unbezahlte oder schlecht bezahlte Praktika nur noch in Bereichen geben, die direkt für den Erwerb einer beruflichen Qualifikation nötig sind und meist nicht über drei Monate am Stück dauern. Auch schul- und hochschulrechtliche Praktika sind immer zeitlich begrenzt.

Nicht mehr möglich sind damit Fälle wie der vor dem Landesarbeitsgericht Hamm verhandelte: Dort ging es um eine junge Frau, die acht Monate lang unbezahlt in einem Supermarkt gearbeitet hatte, ohne dort ausgebildet zu werden. Laut Gericht musste der Arbeitgeber ihr für diese Zeit keinen Cent zahlen, weil er das Vertragsverhältnis „Praktikum“ und nicht „Arbeitsvertrag“ genannt hatte. Das „Praktikum“ war immer wieder verlängert worden (Urteil vom 17.10.2014, Az. 1 Sa 664/14).

Übrigens: Wenn der Dreimonatszeitraum des Praktikums durch Krankheit oder Urlaub unterbrochen wird, entsteht dadurch kein Anspruch auf den Mindestlohn – solange die tatsächlich geleistete Zeit des Praktikums die drei Monate nicht überschreitet (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.01.2019, 5 AZR 556/17).

Kein Mindestlohn für Pflichtpraktikanten


Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil betont, dass Praktikanten kein Mindestlohn zusteht, wenn diese ein Praktikum ableisten, welches während ihres Studiums oder für dessen Aufnahme obligatorisch ist. Es ändere nichts, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Studium an einer privaten Hochschule stattfinden sollte. Die fragliche Hochschule sei staatlich anerkannt. Für das Praktikum würden daher die üblichen Regeln wie bei staatlichen Hochschulen gelten. Es handle sich hier nicht um eine sachwidrige Umgehung des Mindestlohns für Praktikanten (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.1.2022, Az. 5 AZR 217/21).

Werden Urlaubsgeld und Sonderzahlungen angerechnet?


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Urlaubsgeld und Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld unter bestimmten Umständen auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Sie können also mit eingerechnet werden, um insgesamt auf den gesetzlichen Mindestlohn zu kommen. Vorbedingung ist jedoch, dass sie als Lohnbestandteil betrachtet werden können, wie etwa ein 13. Monatsgehalt. Auch ist eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erforderlich (Urteil vom 25.5.2016, Az. 5 AZR 135/16).

Wird der Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienst gezahlt?


Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes werden Bereitschaftsdienste nicht anders behandelt, als die reguläre Arbeitszeit. Hier gilt also ebenfalls der Mindestlohn. Im verhandelten Fall ging es um einen Rettungssanitäter (BAG, 29.6.2016, Az. 5 AZR 716/15).

Gilt der Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten in der Pflege


Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass Pflegekräften, die Menschen in einer 24-Stunden-Pflege betreuen, auch während ihrer Bereitschaftszeiten der Mindestlohn zu zahlen ist. Geklagt hatte eine bulgarische Pflegerin, die in Berlin eine über 90-jährige Frau 24 Stunden am Tag betreute. Ihr mit einem bulgarischen Unternehmen geschlossener Arbeitsvertrag sah eine 30-Stunden-Woche vor, dafür erhielt die Frau 1.562 Euro brutto monatlich bzw. 950 Euro netto. Die deutsche Vermittlungsagentur hatte der Seniorin eine 24-Stunden-Betreuung zugesagt. Die Pflegerin verlangte eine Bezahlung zum Mindestlohn für die vollen 24 Stunden.
Eine solche Beschäftigungskonstruktion ist nicht unüblich: Muss eine Pflegekraft bei der pflegebedürftigen Person wohnen, weil diese ständig Betreuung braucht, greifen viele Familien auf osteuropäische Pflegekräfte zurück - aus Kostengründen.
Das Gericht entschied, dass die Frau Anspruch auf den Mindestlohn auch während der Bereitschaftsszeiten habe. Ausgenommen seien drei Stunden am Tag, in denen sie sich nach Ansicht des Gerichts von ihren Verpflichtungen befreien könne (Urteil vom 17.8.2020, Az. 21 Sa 1900/19).
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte in der Revision, dass Pflegekräfte Anspruch auf den Mindestlohn auch während der Bereitschaftszeiten haben. Es kippte das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der drei Stunden am Tag: Der Dienstleistungsvertrag zwischen Seniorin und Agentur habe ausdrücklich 24 Stunden am Tag vorgesehen. Diese seien auch zu vergüten (BAG, 24.6.2021, Az. 5 AZR 505/20).

Was ist der sogenannte Landesmindestlohn?


Während der gesetzliche Mindestlohn für alle Branchen ohne tariflich festgelegte Löhne gilt, gilt der sogenannte Landesmindestlohn zumeist nur für Arbeitnehmer in Unternehmen, wenn diese öffentliche Aufträge für ein Bundesland erfüllen.
So gilt in Berlin für Unternehmen, die beispielsweise die Reinigung von Ämtern, das Kochen von Schulessen oder das Reparieren von undichten Kindergartendächern übernommen haben, ein Landesmindestlohn von 12,50 Euro (Stand Januar 2022).
In Brandenburg liegt der Lohn für Arbeitnehmer in Unternehmen, die öffentliche Aufträge erfüllen, seit Mai 2021 bei 13 Euro in der Stunde.

Darf mir wegen meiner Forderung nach Mindestlohn gekündigt werden?


Einem Arbeitnehmer, der verlangt, mit dem Mindestlohn bezahlt zu werden, darf deshalb nicht gekündigt werden. Das gilt auch in Kleinbetrieben. Eine solche Kündigung gilt nach dem Arbeitsgericht Berlin als verbotene Maßregelung nach § 612a BGB (Urteil vom 17.4.2015, Az. 28 Ca 2405/15). Der Arbeitnehmer übt hier lediglich in zulässiger Weise seine gesetzlichen Rechte aus, und dafür darf er nicht seinen Arbeitsplatz verlieren.

Praxistipp zum Thema Mindestlohn


Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle im Mindestlohngesetz bestimmten Arbeitnehmer. Trotzdem soll es immer noch Arbeitsverhältnisse geben, in denen kein Mindestlohn gezahlt wird. Arbeitgebern drohen hier Bußgelder bis 500.000 Euro. Arbeitnehmer können bis zu drei Jahre rückwirkend ihren Mindestlohn nachfordern. Rat und Hilfe finden Sie bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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